Fürs Leben

Nicht jede Abtreibung ist schwierig oder schmerzhaft: Warum unser Nein zum Baby die lebensbejahendste Entscheidung meines Lebens war.

Herausgefunden habe ich es an einem zu frühen Mittwochmorgen Ende Januar auf meinem Badezimmerboden. Als sich das Strichlein des Schwangerschaftstests langsam Rot färbte, sagte alles in mir ein so deutliches Nein, wie ich es noch nie in meinem Leben verspürt hatte. Und das, obschon ich allen erzählte, ich wolle dann bald mal Mutter werden. Ich bin 30, bei mir angekommen, ich könnte einem Kind geben, was es braucht. Ich nahm jedoch mein Handy und schrieb um halb sieben einer wundervollen Frauenärztin, mit der ich mal beruflich zu tun hatte, dass ich sie nun selber brauche.

Danach weckte ich meinen Partner mit den Worten, ich sei noch nicht bereit und hätte schon alles organisiert. Mein Körper, meine Entscheidung. Dennoch musste der Entscheid gemeinsam gefällt werden und Boden haben. Wir kannten uns erst zwei Monate und mussten uns nun überlegen, ob wir uns vorstellen könnten, miteinander eine Familie zu gründen.

Man sagt, eine Abtreibung zerstört eine Beziehung oder bringt sie näher zusammen. Als er mir in meinem einzigen «aber was, wenn doch»-Moment sagte «Wenn du dieses Baby willst, dann machen wir das», wusste ich, dass ich mir eine Zukunft mit ihm vorstellen kann.

Es ist nur eines von vielen Beispielen, das zeigt, wie viel Klarheit, Dankbarkeit und Liebe dieser Entscheid in mein Leben gebracht hat. In erster Linie war ich all den Frauen dankbar, die mir ihre Geschichte erzählt hatten. Durch diese Auseinandersetzung mit dem Thema konnte ich zu einer eigenen Haltung gelangen. Ich wusste genau, in welche Praxis ich gehen wollte, und habe am selben Nachmittag einen Termin gekriegt: An den Wänden hingen Frauenstreik-Poster, der Parkettboden knarzte, die Frauen trugen bunte Kleider, sie gaben uns beiden Bachblütentropfen, wir fühlten uns zuhause.

Ich war dankbar, dass ich in Zürich lebe, wo solche Orte einfach aufzufinden sind. Ich war dankbar für meinen Lohn, da uns das ganze Vorgehen am Ende 1200 Franken gekostet hat – unsere Selbstbehalte liegen bei 2500 Franken. Ich war dankbar für mein Alter, da ich mich Anfang 20 für einen derart klaren Entscheid noch nicht gut genug gespürt hätte. Ich war dankbar für unser politisches System, das mir das Recht über meinen eigenen Körper gibt.

Und ich war dankbar, dass ich einen Mann an meiner Seite hatte, der das einzig Richtige tat: seinen Mann stehen.

Ich merkte, dass unser Nein der lebensbejahendste Entscheid meines Lebens war. Es war ein Ja zu unserer Beziehung, die mir so wertvoll ist, dass ich uns zumindest noch einen ersten gemeinsamen Frühling zu zweit geben wollte. Es war ein Ja zu mir selbst, da ich mich nicht schon wieder in die nächste Herausforderung stürzen wollte. Und es war ein Ja zum künftigen Leben unseres Babys. Ein Kind verdient ein klares Ja. Kein «ja gut, dann machen wir das halt», sondern ein «ja, wir wollen dich».

Also machte ich, was (potentielle) Mütter so tun: das Beste für ihr Kind. Ich schickte unser Baby ins Universum zurück, wo es noch ein paar Runden drehen sollte bis wir dann wirklich vielleicht einmal bereit dafür sind. Wir liessen uns noch eine Woche Bedenkzeit, in der wir jede Sekunde zusammen verbracht haben. Wir haben zusammen geweint, aber nie aus Zweifel. Denn selbst wenn es ein klarer Entscheid war, war es ein grosser Entscheid für zwei Frischverknallte.

An einem Dienstagnachmittag im Februar schluckte ich drei Tabletten Mifegyne, die dazu führen, dass der Körper das Gewebe abstösst. Zwei Tage später hätte der nächste Termin folgen sollen, bei dem ich ein Medikament kriegen würde, das Wehen auslöst und somit den Inhalt der Gebärmutter ausstösst. Was ich damals noch nicht wusste: Ich gehörte zu den glücklichen drei Prozent, bei denen das erste Medikament reichte. Das hing auch damit zusammen, dass ich nur etwa erst sechs Wochen schwanger war.

Etwa 24 Stunden nach der Einnahme begann ich zu bluten. Beim Pinkeln musste ich alles, was dabei heraustropfen würde, mit einem Sieb auffangen und in einem mit Wasser gefüllten Konfitüreglas aufbewahren. Es kamen Fetzen aus geronnenem Blut heraus wie bei einer Menstruation. Und auch ein kleines Gewebeteil, das ich aufbewahren musste.

Am nächsten Tag machten wir uns mit Kissen, Decken, Büchern, Laptop, Essen, Tee und Schmerzmitteln bepackt auf in die Praxis. Uns erwartete der einzige Teil, vor dem wir Angst hatten: stundenlange Wehenschmerzen. Nach einem kurzen Vorgespräch, untersuchten die Frauen der Praxis das Konfitüreglas. Das Gewebeteil, das wars. Es war raus. Einfach so. Wir wurden wieder nach Hause geschickt.

Und es war vorbei. Ohne Widerstand. Ohne Schmerzen. Ein Fruchtsäckchen in der Grösse eines Fingernagels, darin für die Augen unsichtbar ein klitzekleines Embryo von zwei Millimetern Grösse. Wir erhielten es in einem Kartonböxli und entschieden uns, es mitzunehmen. Wir fanden, dass es einen schönen Abschied verdient hat. Zuhause erwartete uns Besuch von Freunden, die uns Blumen schickten und Kuchen mitbrachten.

Unter dem Besuch war eine schwangere Freundin. Und alles war genau so, wie es sein sollte.

Nicht jede Abtreibung ist schmerzhaft oder schwierig. Ich glaube, jede Frau spürt in dieser Situation, was zu tun ist – wenn ihr Umfeld sie lässt. Hätte ich das früher gewusst, hätte uns das viele Ängste erspart. Ein paar Tage später verbrannten wir das Böxli in meinem Lieblingspark, kleideten eine kleine Grube mit Rosenblättern aus und vergruben die Asche mit einem Citrinstein, damit es nicht so dunkel ist. Letzten Endes war es etwas, das wir gemeinsam erschaffen hatten, und somit etwas Wertvolles.

Ich veröffentliche diesen Text aus Dankbarkeit allen Frauen gegenüber, die sich mir mit ihren Geschichten geöffnet haben. Ohne euch wäre diese Zeit weniger klar gewesen. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass uns Menschen nichts näher zusammenbringt, als wenn wir unsere Erfahrungen und Erlebnisse offen miteinander teilen.

Ich finde, dass man das Leben mit all seinen Entscheidungen nicht alleine durchstehen muss. Und ich habe erfahren, dass ich nicht Mutter werden muss, um ein erfülltes Leben als Frau zu führen.

Unser Baby wäre letzten September gekommen. In dieser Zeit dachten wir ein paar Mal an unsere Entscheidung zurück – immer mit der Gewissheit, dass sie richtig war. Manchmal sahen wir superherzige, junge Familien. Wow, das könnten wir sein. Manchmal sahen wir superlaute, schreiende Babies und ihre Eltern im Tram. Wow, das könnten wir sein.

Aber das waren wir nicht. Wir haben für uns den anderen Weg gewählt und diese Entscheidung in keinem Moment hinterfragt, bis heute nicht. Das Schönste daran: Diese junge Familie, wir könnten das immer noch eines Tages sein. Wir sind zwei junge, fruchtbare Menschen, die sich lieben. Wir haben das Privileg, beide Optionen zu haben. Wie wunderschön.

Ich dachte immer, ich könnte niemals ein Kind abtreiben. Nichtsdestotrotz bin jahrelang für das Recht auf Abtreibung demonstrieren gegangen – es ist fundamental wichtig, dass wir diese Wahl haben.

Denn wie bei so vielem weiss man erst, was es heisst, wenn man selbst betroffen ist.

Kleiner Nachtrag: Wir waren beim Zürcher Frauenambi, das nach der Pensionierung von Dr. Theres Blöchlinger leider aufgelöst wurde. Kontakte findet man noch unter frauenambulatorium.fembit.ch Falls du nicht alleine zu deinem Termin hingehen willst: Nimm jemanden mit, dem du vertraust. Oder schreib mir. Wir finden eine Lösung. Alles kommt gut – versprochen.

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I dedicated a whole year to loving myself. Here’s what happened.

A tale of BuzzFeed quizzes, throwing up on Ayahuasca, living in the woods, finding love, traveling to India, and YOLO-ing my way through 2018.

When the old year comes to an end, it’s a powerful period of transformation, reflection and devotion. Many people have their own rites for this process. Because I am a millennial, my rite this time last year was taking a random BuzzFeed quiz about how 2018 will be. The result read: “Taking care of you! By the end of 2018, your bullet journal is going to be full of dreams you’ve made a reality. You’re going to finally hike that mountain, read that book, or master that hobby because this is the year of you.” And that’s what I did. 

Why? Because one year ago, I was close to a burnout, heartbroken, sleep deprived, emotionally drained and really fucking lost. I just had a very successful year and still wasn’t happy. I published my first book and sold out the Literaturhaus Zürich. I got cool job offers and a column. I had a nice pay and people wanted to hear my opinion on TV. Amnesty International wanted to work with me, I became a postergirl for feminism, my parents were proud and my Tinder profile was on fire. I got all the confirmation I ever wanted but still felt empty, still compared myself to others, still felt like a fucking loser.

And above all, I felt bad for being so hard on myself. For making me want to prove myself so badly to others. For pushing me so hard these last years and not protecting myself well enough. For sacrificing almost my whole twenties to work. For putting success over health. For being so confused that I started to believe the haters. In short: For not taking care of myself. Happiness is an inside job. And I was ready to work.

Chapter 1: Fuck this shit

Swami Kripaluanandaji said: „My beloved child, break your heart no longer. Each time you judge yourself, you break your own heart. You stop feeding on the love, which is the wellspring of your vitality. The time has come to see the goodness that you are.“

So at the end of last year and for the first time in my life, I had no professional ambitions but instead, a million personal New Year’s resolutions. I wanted to set emotional, physical and personal boundaries that are non-negotiable, buy myself plants, learn how to meditate and pause, practice saying the word no, kondo the absolute shit out of my apartment, take time for myself, ban my phone from my bedroom, read more books, give myself enough sleep, drink loads of herbal tea, recharge in nature, learn how to take defeat and despair as a lesson, get to know my demons and welcome them like old friends here to teach me something, love hard but live softly.

On the last day of 2017, I impulse-bought myself a ticket to Goa, the former Hippie hotspot. Project self-love was on with a bang. And then, 2018 started. It started at 3am in a cab that took me home from a party I celebrated completely sober and left when I felt it wouldn’t get any better. The radio played Taylor Swift. I took it as a good omen.

Chapter 2: India

On January 28th, a golden sun was rising in Oman, where I waited for my connection flight to India. A couple of hours later, I finally arrived in this magical country. Flying to India to find myself is probably the most basic middle-class-white-girl-move you can do, but yet, there I was. Before checking in to my ashram, I wanted to fuck myself up one more time and went to a rave. At dawn, I sat behind a random guy on his motorbike, high as a kite and completely wasted, my phone dead. We drove through a forest and I had no idea if this really was the way back to my hostel. It was fucking stupid. But luckily, I got dropped off safely.

A couple of hours and another backpacking romance later, I checked into my ashram. And all I could think was: What the fuck am I doing here? Out of a crowded hippie hostel room near the beach into sheer isolation in a freaking forest in the middle of nowhere India. I was so lost. The schedule was hardcore: Getting up in the cold dark, one hour of meditation, two hours of yoga, breakfast, lectures, a couple of hours for reflection, one hour of meditation again, two hours of yoga again, dinner, chanting or some other ceremony, sleep, repeat.   

Did it do the job? It did. It also took some hot sunshine, warm ocean water, sweat, a million tears, spicy chai from my Sangha, a lot of yin yoga, and one groundbreaking Reiki healing therapy. And then, on my last day somewhere near the beaches of Mandrem, everything melted into compassion and clarity. Warmth is where the magic happens. I finally forgave. Myself for not doing better. Because I did as well as I could. Others for not doing better. Because they did as well as they could.

Chapter 3: Praying and raving

Back home, I went full spiritual. It was spring and I cleansed my apartment with sage and incense. I wore patchouli and essential oils for protection, collected healing stones, lit candles, drank herbal teas and slowly turned into a wicca. I healed wounds with marigold, colds with turmeric, headaches with green tea, a tragus infection with salt water, sleeplessness with chamomile, and breakouts with tea tree oil.

I let all my body hair grow in order to find out if I could truly be at ease with every raw part of myself. The confused looks of people seeing me with girly dresses and hairy armpits slowly didn’t bother me anymore, but rather amuse and finally, empower me. I felt wild in all the best ways.

I spent some Sundays at the Hindu centre of Hare Krishna and kinda liked it. I read the Bhagavad Gita and liked parts of it. In the end, it was Buddhism that stuck to me. Not as a religion, but definitely as a philosophy. I wear my blessing cords every day. They’re yellow because a Sikh once told me that this was the colour of my aura. ¯\_(ツ)_/¯ 

In February, I went on my first burn and it was four days of absolute madness. At any international burn, they follow the principles of Burning Man. You can’t buy anything, you bring stuff and get stuff. And it totally works. I went there on my own without really knowing anybody and was pretty nervous. But it’s all about authenticity and mindfulness. I brought some fairy lights, some fairy tales, some champagne, some glitter, a lot of love and light. I found my place in the loveliest room with the most magical people. I found myself when I set my boundaries because a burn is crazy and it’s all about self-reliance. I lost my shit by looking at snowflakes and wasn’t even tripping.

The playa provides, they say. And it did. We read fairy tales, made love, went crazy, came down, visited workshops, and helped each other just by being ourselves. But what happens after that? When you‘re back in the real world, it’s all about implementing. Did your perception of normality shift? Do you want to live your life the way you do? What do you need to be happy? Who are you? Where are your boundaries? What do you want? If you manage to grow after a burn, it changes you. Otherwise, it’s just a really nice party. 

Chapter 4: Into the woods

So what about real life? Work and stuff? You know, the thing that pays my rent? I changed my attitude towards that too. I gave my heart to tell the stories I got signed up for properly. But I stopped killing myself for a job that would replace me within a week if I dropped dead. And to whoever reads this: I think you should too. You are not your job. You are not your reputation, your title, your pay, your output or your network. They don’t own you. You are a human being worthy of a life of dignity, love, respect and your very own pursuit of happiness and purpose. 

I don’t think this capitalism thing has anything to do with what we are supposed to be as human beings. So I escaped. I spent most of summer living part-time in the woods, making love under the stars, collecting herbs, making fire, reconnecting, going on adventures and back to work the next day with unwashed hair and some guy’s oversized sweater that smelled of last night’s bonfire.

„I went to the woods because I wished to live deliberately, to front only the essential facts of life, and see if I could not learn what it had to teach, and not, when I came to die, discover that I had not lived.“ That’s what Henry David Thoreau wrote. Reality was different. I drank river water and got a stomach flu from it because I am an idiot from the city that would probably die in the woods after literally one day. That’s not the only stupid thing I did there though: I also started a fling that I mistook for love. But more on that later.

Chapter 5: When things got weird

What else was there this summer? Ayahuasca was there. After giving up looking for it, the plant found me and made me travel high up into the mountains. We started around 10pm when the group reflected on the night before and did a really beautiful group therapy. Around midnight, we got tobacco blown into our noses and a disgusting powder in our mouths. And then, six people and I took a cup of Ayahuasca. It tasted thick, earthy, sweet, spicy, and really fucking bitter.

I felt dizzy right after it and after half an hour, I felt my body dissolving and started having crazy psychedelic visuals. Then I thought about a million random things and eventually, I was the first one throwing up. They say this purges you from all the negative things. It’s like a ball of fire that leaves your body.

And then, shit gets real. They say you get to the bottom of some deeper issues that you don’t even realize, or at least reconcile some of the ones you already have. But none of that happened. Maybe because I really did find peace with myself? Others were hyperventilating or crying. I was just exhausted and frankly, not too happy about being unable to walk. Mother Ayahuasca didn‘t call. I was never visited by any spirits, nor saw any distant memories. They say the effects can be subtle and evolve in the weeks after the experience. The next morning I took a shaky walk in the sunlight after barely any sleep and no food since ages. I felt light. And glad that it was over.

At that point, I kinda found my esoteric limit. The shaman music annoyed me, the chants confused me, and I could never force my body through such a violent thing ever again even though they recommend doing three retreats of a couple of days each year which I think is crazy. I think healing should be sober, slow and soft. And after trying a couple of psychedelics, I was really over it. I believe that the human being is capable of amazing things without drugs when you are radically open. I want to be present in my life. The real world is full of beauty if your heart is open enough to see it. Was that my lesson? Maybe. Then I guess it was worth it.

Chapter 6: My home is a castle

In September, I moved into another fairytale castle in the south of France expecting it to be as magical as the one I used to live in back in 2014. It wasn’t. My ex boyfriend decided to join me which sounded like a good idea. It wasn’t. I expected us to wake up in my princess room, go on adventures together, spend our days doing yoga in the ballroom and our nights talking under the stars. We didn’t.

In reality, I was crying every day. I mean, I am no relationship expert, but I eventually figured that if a guy makes you cry all the time, he probably isn’t the one. So I broke up with him after one week in the castle and the amazing woman who runs this place kicked him out. I broke up with him two more times. The last time, I was gone for good.  

My wonderful castle family decided to take me to the ocean. There, I let the salt water wash the mess away and leaving some clarity. That you don‘t need a relationship to be happy or not alone – it doesn‘t guarantee either. That you can’t fix other people. That self-care means work. That you have to do your emotional and spiritual homework. That the feeling of being enough, being whole, being valuable is something you have to practice. Every day. And when it comes to love? You deserve someone who is proud to have you and takes care of you. Stop settling for less. 

Chapter 7: Out of the woods

Rumi once said: “Your task is not to seek for love, but merely to seek and find all the barriers within yourself that you have built against it.” And I think he’s right. I don’t think you can truly love someone unless you truly love yourself. Otherwise you’re just projecting. If you’re not happy with yourself, you won’t be happy with anybody else. If you spend your whole life thinking that you have to be special in order to be worthy of love and attention, you’re never going to give anyone the chance to see your true self. And if you need someone to complete you, you’re just using them and making yourself dependent.

The only healthy and honest thing you can do is to see the other person as a gift. I met mine on my birthday. Ironically, when I felt I was truly enough being single. It’s funny how life happens like that. When you expect nothing, you receive everything. In “Eat Pray Love”, the heroine says to her love interest that she doesn’t need to love him to show herself that she loves herself. And she is right. I don’t need him to be happy. I don’t need him in my life. But I am so grateful to have him by my side. I appreciate everything he is and gives. Without any expectations. When he takes my hand, everything melts. And that is love.

Rupi Kaur writes: “It was when I stopped searching for home within others and lifted the foundations of home within myself, I found there were no roots more intimate than those between a mind and body that have decided to be whole.” And on love, she said: “If you soak yourself in love, the universe will hand you those who will love you too.”

I decided to dedicate this whole year to loving myself – aware of the fact, that having the freedom to explore all this was a privilege. And I stand at the end of this year as a truly emancipated woman. I don’t give a shit about being successful anymore. Because I learned that I am enough. In a society that profits from your self-doubt, this is a rebellious act. People expect women to care. I chose not to care anymore. I cut my hair short, became raw again and chose to live fearlessly. I had mountains to move and did. I’m turning 30 next year and can’t wait for what comes next. I no longer let society tell me that I need to perform in order to be of value. And yes, fuck your beauty ideals. 

Chapter 8: What I learned

Instead of working myself to death, I lived. I found redemption in an Indian ashram, ate the best pizza in the world in Naples, climbed a volcano, swam in a hidden beach of the Amalfi coast, saw the world’s biggest pop front row at Wembley stadium, learned to collect herbs and do backflips, took acid in an amusement park and blacked out on a roller coaster, read tons of books like The Fountainhead and Brave New World all the way to Gandhi’s biography, lived in a van in the woods, walked the Hyde Park barefoot, and jumped into ice cold rivers.

I travelled into my childhood with Ayahuasca, moved into a french fairytale castle, cried in Amsterdam’s Anne-Frank-Haus, visited the Masoala rain forest, learned to dance salsa, visited a sound healing meditation, experienced breathing therapy, cut my hair, went to Paris, got a piercing, painted pictures, survived my first burn, went ghost hunting in an old sanatorium in the woods, got high during my first ecstatic dance, lived ascetic for two months and signed up for a new education next year because I feel like reinventing myself.

I don’t believe in bucket lists. I believe in being radically open and unconditionally trusting the universe because it will provide you with shit so epic you couldn’t even picture it in your wildest dreams. 

Change always happens within. So be kind. To yourself and others. Throw kindness around like confetti. Especially towards the unkind ones for they need it the most. Have empathy for yourself and for others because empathy will heal everything. Heal yourself and you will heal your ancestors and everyone around you too.

If Buddhism is your thing: Learn to accept things, embrace change, dive into your pain and solve it, have compassion, meditate often, be present in your life, do no harm, don’t identify yourself with your thoughts, don’t let your ego take control, replace craving for what you don’t have with gratitude for what you do have. Trust the Buddha (the enlightenment), the Dharma (your path), the Sangha (those alongside you). 

Or just take a random BuzzFeed quiz.

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Why #metoo will liberate us all

My input for the Battle Of The Ideas: Zurich Salon about the one year anniversary of the hashtag and movement #metoo in October 2018. 

Men are afraid of being rejected or judged. Women are afraid of being raped and killed.

Men are scared to lose their careers. Women are scared to lose their lives.

One year ago, a series of articles about Harvey Weinstein and a tweet from the actress Alyssa Milano led to one of the biggest movements in modern feminism: #metoo. And before telling you how important that all was, let’s talk about the elephant in the room:

Depending on the country, the number of false accusations lies between two and eight percent. Every percent of that is a percent too much. But luckily, in our legal system, there is the presumption of innocence.

And when we talk about accusations, it is crucial to keep in mind that only a small percentage of instances of abuse even get taken to court. The majority of trials have no consequences for the offenders of any kind. They can become President of the United States of America. They can become Associate Justice of the Supreme Court of the United States. They can win Oscars and star in children’s movies. They can become whatever they want

#metoo is about gender. Because as much as men are victims of sexual misconduct too, in most cases, they are the offenders. When we read stories about rape, we hear about a woman who got raped. And not about a man that raped a woman. We read studies about how many women got raped. But the study never says: This many men raped women in 2018. Until #metoo, we didn’t talk about the men. Now, we finally do. For the sake of everybody.

We need to talk about male role models. We need to teach boys that being rejected does not define their value as a man. We need to teach them that emotional and physical boundaries are non-negotiable. We need to teach them that masculinity can be soft and nourishing instead of tense and destructive. We need to teach them to take no for an answer. 

And that is just one of the things that #metoo encouraged. After centuries of living in a patriarchy, that frankly didn’t make anybody feel really chill or happy, the removal of gender-roles is crucial.

So what about the victims? When they finally find the courage to talk about their assault, they not only have to publicly revive the most traumatic event of their lives, but also face something that in some cases is even more scarring: The reaction of the public. When women speak out about abuse, we don’t believe them. We tell them they do it for attention or money or just for the hell of it. We victim-blame and slut-shame and tone-police them. We tell them to dress properly because with a skirt like this, they were asking for it, weren’t they?

We love to hate on those victims because in acknowledging the sheer amount of victims we would be forced to acknowledge the fact that there is something deeply wrong within our society.

People say #metoo was dangerous because it mixed the smaller day-to-day incidents with stories of sexual violence. And maybe it did. But it did rightfully so. Because there is some common ground there. When we talk about sexual misconduct in any case, we talk about power. We talk about consent. We talk about media. We talk about stereotypes. We talk about sexism. We talk about racism. We talk about the world we want to live in. And those discussions – as painful as they might seem – will help us create a better society.

Over decades, people have gone through hell by experiencing sexual misconduct and the abuse of power. They suffered the shame, the fear, the humiliation, the guilt and the despair that came with it. And since one year, the wall around this silence is finally and slowly crumbling down.

I am a victim too. On my 18th birthday, a grown man grabbed me by the pussy under my sparkly party dress. I was too shocked to react. And on that night, just on the edge of becoming a woman, I learned very quickly what it’s going to be like to be a female human being of the 21st century.

I am a victim too. And victimhood is nothing pitiful or shameful. It’s acknowledging that a bad thing happened and that it wasn’t my fault. And that I have every right to be angry. Victimhood is something to be taken seriously and not something mock.

#metoo was healing. It released the wall of shame and created a space of understanding and solidarity. It gave those a voice who were too powerless to make themselves heard. Just by telling them: You are not alone, me too. It broke a silence that was toxic for countless lives. It urged men and women to reflect on their behavior. And in many cases, it brought some justice. It empowered not only women, but also men to take part in a discussion that concerns us all.

But a hashtag is not enough. It never is. We must take this even further. Hollywood stars are talking about abuse now. But not your immigrant cleaning lady. Not yet. 

We need to fight sexual double standards. And we need to stop reducing women to their looks. As long as we fail to acknowledge them as human beings, women will continue to be treated as objects. 

And let me get this straight: I could walk around naked and that would still not give any person any right to touch my body. And no, I don’t need to grow a thicker skin. People need to learn how to behave. 

Sexual misconduct is something we need to talk about. In schools, in companies, at festivals. And we need to support the victims, because they have to stand up for themselves. Let’s make them feel safe enough to do so. 

And to end this input, let me state this: We need male allies. Because they too will profit from a society where people treat each other with kindness and respect. Because they are victims too. Because in Swiss law, the definition of rape is a penis penetrating a vagina and this is devastatingly sexist against men.

#metoo is not a battle of the sexes. It’s not about poor women against evil men. It’s not a witch-hunt where people seek revenge. It is a quest for justice. And we are in this together. The battle against a sexist society is complicated and not easy. Change never is. It is usually painful and tiring and exhausting.

But we need it in order to move forward. We need to talk about issues that hinder us from living to our fullest potential as human beings.

Stories hold our cure. Let’s tell them properly.

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New Year’s Revolutions

Some things to live by. During 2018 – and in general:

Set emotional, physical and personal boundaries that are non-negotiable, buy yourself plants, learn how to meditate and pause.

Practice saying the word no, kondo the shit out of your apartment, take time for yourself, ban your phone from your bedroom because that will change your life.

Get help if you feel like everything’s too much – life is not a thing that you have to do alone, read more books, write the things that bother you down and ask yourself what lies beneath.

Listen to what your subconscious might want to tell you with those dreams, have some trust in life, stay open even if you got hurt and rejected, know that your are not somebody else’s opinion.

Change your sheets often, give yourself enough sleep, drink loads of herbal tea, eat your greens, forgive your parents for not being perfect because they did as well as they could.

Recharge in nature, don’t smile if you don’t feel like it, respect yourself and others will do too.

Love hard but live softly.

Never be cool because warmth is where the magic happens, be kind to others because it teaches you to be kind to yourself, tolerate imperfection because it teaches you to tolerate your own imperfections.

Learn how to take defeat and despair as a lesson.

Fight for your rights and stand up for yourself, get to know your demons and welcome them like old friends here to teach you something, don’t be afraid of breaking apart because your cracks are where the light comes in. 

Replace self-destructive patterns with self-love.

Protect the vulnerability of your inner child, trust your intuition and know that you’re not responsible for others because luckily just like the little bug on your window or some leaf on a random tree: you’re only a very small part in a very big world. 📿 

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Girl vs. Globe

Ich habe noch 19 Prozent Akku auf meinen Laptop. Es ist Mitternacht und ich liege im Nachzug zwischen Hanoi und den Reisfeldern Sapas. 

Ich habe soeben «The Handmaid’s Tale» fertiggelesen und den totalen Brainfuck deswegen. Gestern habe ich mir für vier Dollar die Haare abschneiden lassen. Im Bett unter mir liegt ein Mädchen namens Taylor. Taylor – wie eine meine besten Freundinnen. Taylor – wie Swift, mein Spirit Animal.

Wenn mich Leute fragen, wie ich mich beschreiben würde, sage ich: furchtlos. Ich habe wirklich vor wenig Angst. Vor allem nicht vor den Dingen, über die viele Menschen schon nur ungerne sprechen. Nähe, zum Beispiel. Emotionen. Der Konfrontation mit sich selbst. Menschliche Abgründe. Schwächen.

Ich habe höchstens vor Schlangen Angst. Wenn ich nervös bin, träume ich von ihnen. Dann wache ich auf und habe das Gefühl, dass sie in meinem Bett sind. Laut Traumdeutung stehen sie für Verrat, für Veränderung.

Das chinesische Mädchen neben mir spricht im Schlaf.

Mein Laptop zeigt die Schweizer Zeit an und scheint noch nicht begriffen zu haben, dass wir in Vietnam sind. Ich habe eine emotionale Beziehung zu meinem Laptop. Auf ihm habe ich alle wichtigen Texte geschrieben – er ist mein Horkrux. Letzten Sommer hat er ein Glas Prosecco getrunken und danach für drei Tage die Arbeit verweigert. Und jetzt verleugnet er einfach die Tatsache, dass wir am anderen Ende der Welt sind – ganz die Mama.

Der Zug ruckelt. Er erinnert an den Orient Express aus den Filmen. Er hat etwas glamouröses, obschon er alt und schmuddelig ist. Er riecht nach Gewürzen, Seife, Pisse – wie die Pariser Metro im Norden. Die Vorhänge sind rot, die Wände aus glänzendem, klebrigen Holz, die Tischchen mit Gold verziert. 31 Dollar für eine schlaflose Nacht.

Vorhin habe ich das Badezimmer überschwemmt, weil das Brünneli verstopft war. Ich habe mit Leitungswasser Zähne geputzt – ein bisschen Furchtlosigkeit steckt doch noch in mir.

Ein bisschen. Den Rest habe ich zuhause gelassen.

Ich dachte immer, ich hätte vor nichts Angst. Seit ein paar Tagen weiss ich, dass mir Reisen eine Scheissangst macht. Ich scheitere hier gerade an meinem eigenen Traum vom Abenteuer im fernen Asien. Ich scheitere am Laufmeter. Ich scheitere an meinem Rucksack, den ich nicht mal für zehn Minuten ohne Schmerzen tragen kann. Ich scheitere an mir selbst, an meinem Ehrgeiz, an der Erschöpfung. An den letzten zwei Jahren, die ich quasi durchgearbeitet habe. Letztes Jahr hatte ich genau sechs Tage Ferien. Die restlichen Freitage habe ich bezogen, um an anderen Projekten zu arbeiten.

Das letzte Mal entspannt war ich im Frühling 2014. Loslassen, abschalten – sowas kann ich nicht. Ich verspüre auch hier einen Erfolgsdruck. Den, der perfekten Instagram-Bilder. Den, der Erleuchtung. Den, der tollen Geschichten, die ich dann mal erzählen soll. Eat! Pray! Love! Ich bin noch dermassen im Hamsterrad, dass mir schwindlig wird.

Hier kann ich mich mit niemandem messen, muss nichts verändern, nichts bestehen, nichts durchhalten oder durchboxen. Ich bin kampflos. Das kenne ich nicht

Ich bin ein Arbeitstier. Ich verhandle Gehälter mit dem übersteigerten Selbstbewusstsein eines weissen, mittelmässigen, heterosexuellen Mannes. Ich rackere meine To-Do-Listen in einem Tempo ab, von dem anderen schwindlig wird. Ich habe gerade in acht Wochen ein Buch geschrieben. Getippt, als wäre ich von Kerouac besessen. Ich weiss, was ich will. Immer.

Bis jetzt. Ich habe keine Ahnung, was ich hier mache. Draussen zieht die Landschaft an mir vorbei und ich rede mir ein, dass ich in einem SBB-Wagen sitze. Dass die Bäume, von denen ich praktischerweise nur die Umrisse sehe, jene zwischen Zürich und Bern sind.

Ich habe eine Deadline. Nächsten Mittwoch. Wenn ich es bis dann immer noch nicht auf die Reihe kriege, mit einem Leben ohne Erwartungen klar zu kommen, komme ich zurück.

Zurück zu dem, wovon ich weglaufen wollte. Zurück zum Alltag, zum Kapitalismus, zu Selbstoptimierung, zur Leistungsgesellschaft, zu Anything Goes und zum unmenschlichen System, in dem du dir deinen Wert als Mensch durch Arbeit abverdienst.

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Pamphlet einer Nervösen

Ich hasse Reisen. Ich hasse die ganzen Vorbereitungen, ich hasse Flugzeuge, ich hasse Mehrfachstecker, ich hasse Impfungen, ich hasse meinen Schlafsack schon jetzt und ich hasse auch die Menschen, die ich in den Hostels kennen lernen werde, präventiv.

Ich hasse die Menschen in meinem Umfeld dafür, dass sie mich immer völlig entgeistert angestarrt hatten, als ich ihnen sagte, dass ich noch nie so richtig reisen war. Als ob jeder Mensch einfach so Kohle und Zeit dafür hätte. Ich hasse ihre pseudohippiemässigen Ferienoutfits. Ich hasse ihren Pseudospiritualismus. Ich hasse ihre heuchlerische Lebensart. Dass sie vegan leben, weil «alle Lebewesen Freunde sind» und trotzdem H&M-Shirts und iPhones besitzen, die von irgendeinem unterernährten Kind in einer bald zusammenstürzenden Fabrik hergestellt wurden.

Ich hasse es, dass SchweizerInnen immer zuerst ins Scheissausland müssen, um ein bisschen offener zu werden. Ich hasse es, dass sie Menschen anderer Kulturen kennenlernen wollen solange diese bitteschön in ihren Ländern bleiben.

Ich hasse mich selbst, dass ich diesem Gruppendruck nachgegeben habe. Dass ich nach Asien gehe, obschon ich asiatisches Essen gar nicht mag. Dass ich alleine dorthin gehe, obschon ich eine Scheissangst davor habe, dass mir was passiert. Dass ich näher bei der Natur sein will und gleichzeitig mit meinem Scheissflug einen solch monströsen ökologischen Fussabdruck hinterlasse, dass ich im Grunde genommen ein genauso heuchlerisches, verwöhntes, jammerndes Erstewelt-Arschloch wie die Leute in meinem Umfeld bin.

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Die Wahrheit über Geld, Arbeit, BHs und Home Office

Seit 43 Tagen arbeite ich als Freelancerin. Das ist cool. Leider hab ich grad eine monströse Schreibblockade. Jedes Mal, wenn ich ein Word-Dokument öffne, werde ich aggressiv. Das ist nicht so cool. Weil Prokrastination mein vierter (hehe) Vorname ist, habe ich mich entschieden, dieses journalistisch wertvolle Listicle über meinen majestätischen Alltag im Home Office zu erstellen. 

Wenn du siehst, dass du die nächsten Monate von Aufträgen leben kannst:

Wenn du (links) dich von deiner alten Redaktion aka dem letzten sicheren Hafen verabschiedest: 

Die Erkenntnis am ersten Morgen, dass du Wecker und BHs ab sofort aus deinem Leben verbannen kannst: 

Realisieren, dass du auch im Pyji arbeiten kannst weil who gives a fuck: 

Wenn du trotz katastrophaler Selbstdisziplin deine ersten Deadlines einhältst:

Wenn du nach ein paar Tagen realisierst, dass du deine Büropausen ohne Bürogspändli verbringen musst: 

Wenn deine Mitbewohnerin spät nach Hause kommt: 

Wie du sie begrüsst: 

Dein Gesicht, wenn sie von ihrem Tag erzählt: 

Wenn sie schlafen geht und du noch arbeiten musst weil du den ganzen Nachmittag auf Tinder warst: 

Mittags allein in der Küche:

Wenn du Löhne verhandeln musst, weils jetzt echt ums Eingemachte geht: 

Wenn dein erster Lohn kommt: 

Wenn dir die Sozialversicherungsaufsicht erklärt, wie viel sie dir davon wieder wegnimmt: 

Die Angst vor einem möglichen Unfall, weil du den Scheiss jetzt selber bezahlen müsstest:

13. Monatslohn:

Wenn Freunde von mühsamen Sitzungen und überfüllten Pendlerzügen erzählen:

Fazit: 

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Liebe NZZ am Sonntag, wir müssen reden

Liebe NZZaS

Als ich sah, dass ihr nach 15 Jahren doch noch den Schritt ins gloriose Interwebz gewagt habt, hat das in mir gemischte Gefühle ausgelöst. Ein bisschen wie damals, als sich meine Mom ein iPhone kaufte. Ich wusste: das wird anstrengend. 

Und weil ihr nicht lange rumfackelt, habt ihr den ersten Bock schon an Tag eins geschossen: 

(Das ist ein Handybild)

Womöglich habt ihr euch dabei gar nicht viel Böses gedacht. Vielleicht wars ein Versuch an Selbstironie. Weil die Zürizeitung ja gemeinhin als etwas verstaubt gilt. Wie gesagt, ihr seid neu hier. Und ich habe grundsätzlich grossen Respekt vor eurer journalistischen Arbeit. Drum will ich grosszügig sein. Also: Let me be your guide. 

Lektion 1: Solche Bilder landen im Internet

Was für euch noch #Neuland ist, ist unser Zuhause. Mit uns meine ich ganze Heerscharen von jungen und «aufmüpfigen» (wie ihr uns bezeichnen würdet) Frauen, die wissen, wie ein Shitstorm funktioniert. Kurz: 

(Das ist ein Meme)

Lektion 2: Googlet mal den Begriff «Mansplaining»

Hier: http://letmegooglethat.com/?q=mansplaining

Eure Illustration ist weder witzig, noch besonders originell, sondern in erster Linie problematisch. Die Frau wird mit ihrem «LOL»-Shirt, der nackten Haut und der kindlichen Frisur als bildungsfern dargestellt. Der ältere Mann mit seinem Mantel, der Brille und der Lektüre unter dem Arm als intellektuell. Die Sprechblasen dazu hättet ihr euch sparen können, denn die Bildsprache ist deutlich genug: alter, kluger Mann erklärt junger, dummer Frau die Welt.

(Das ist ein Gif via GIPHY)

Lektion 3: Willkommen im 2017

Vor nicht einmal 24 Stunden gingen über 10 000 Menschen ein paar hundert Meter von euren Büros entfernt auf die Strasse, um gegen die systematische Unterdrückung der Frau in der Gesellschaft zu demonstrieren. Medien sind ein grosser Teil dieses Problems. Dass ihr einen Tag später ein solch patronisierendes Bild auf eure Front packt, ist unfassbar. In Internetsprache würe man jetzt sagen: Could you honestly not?!

Die Zeiten haben sich geändert. Feminism is back by popular demand. Und auch die Gesellschaft wird sich ändern. Es liegt an euch, ob ihr dieser Entwicklung folgt, oder ob die alte Tante zurückbleibt. ¯\_(ツ)_/¯

xoxo, die Zukunft <3

(Das ist ein Mic Drop)

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Die Pionierinnen: Politischer Ungehorsam in Unterbäch

In Unterbäch gingen Frauen am 5. März 1957 erstmals an die Urne – gegen den Willen von Kanton und Landesregierung. Am 11. und 12. März 2017 feierte die Walliser Gemeinde 60 Jahre Frauenstimmrecht und würdigte das Engagement von Iris von Roten. Ich durfte die Festansprache dazu halten. Nachlesen kann man sie hier. 

Bildschirmfoto 2017-03-12 um 18.37.58

(Drei der 33 Frauen, die in der Schweiz vor 60 Jahren erstmals ihren Stimmzettel in die Urne legten)

Sehr geehrte Damen und Herren

Ich danke Ihnen vielmals für den freundlichen Empfang und dieses eindrückliche Wochenende hier in Unterbäch. Ich bin heute hier um über Iris von Roten zu sprechen. Eine Person, die viel zu wenig Anerkennung erhielt. Eine Person, die Recht hatte. Und eine Person, deren Arbeit noch lange nicht zu Ende ist.

Es wird ein Plädoyer für einen modernen Feminismus. Für Pussyhats, für Solidarität und für Dankbarkeit gegenüber all den engagierten Frauen und Männern in den Generationen vor mir.

Werfen wir also einen Blick zurück.

Vor hundert Jahren erblickte Iris Meyer in Basel das Licht einer Männerwelt. An der Universität Bern promovierte sie in den Rechtswissenschaften, was damals noch eine seltene Frauenkarriere war. Zudem war sie als Journalistin tätig und schrieb unter anderem für das «Schweizer Frauenblatt» gesellschaftskritische Texte, für die sie sich nicht nur beliebt machte. Ein Vorgeschmack auf das, was später kommen sollte.

1946 heiratete sie Peter von Roten. Doch sie wollte kein Leben als «Nurhausfrau» – wie sie es bezeichnete. Also wurde sie nicht nur von Rotens eheliche Partnerin, sondern auch seine Partnerin in der gemeinsamen Kanzlei.

Ein paar Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs reiste sie in die USA und begann mit der Arbeit zu ihrem Buch «Frauen im Laufgitter – offene Worte zur Stellung der Frau». Es wurde zu ihrem Lebenswerk. Ein durchaus kühnes Buch, seiner Zeit weit voraus. «Man kann diese Themen nicht alten Insektenforschern überlassen», sagte die Autorin damals.

Iris von Roten war eine Frau, die alles wollte. Freiheit, beruflicher Erfolg, wilde Abenteuer, lockende Fernen. Peter von Roten heiratete sie gegen den Willen seiner Familie, ihre Tochter Hortensia wurde früh fremdbetreut und auch sonst lebte Iris von Roten ein Lebenskonzept jenseits der damaligen Norm.

Iris von Roten war eine Person, der erst die Zeit Recht geben würde. Als «Frauen im Laufgitter» erschien, blieb die Anerkennung noch aus. Mit ihren damals revolutionären Gedanken traf sie zu viele wunde Punkte. Die aufplatzende Eiterbeule war grausam.

Setzer weigerten sich, das Buch zu drucken, Frauenverbände distanzierten sich von ihr, Fremde schmierten das Wort «Hure» an ihre Hauswand, an der Fasnacht wurde sie gedemütigt.

Ein inhaltlicher Diskurs fand nur am Rande statt; viele Kritiker hatten das Buch gar nicht gelesen. Der Hass richtete sich also in erster Linie gegen Iris von Rotens Person.

Heute, in einer Zeit, in der Hassrede ein gefährliches Comeback feiert, würde man das Shitstorm nennen. Was besonders bitter war: Zu dieser Zeit scheiterte auch die erste Abstimmung zum Frauenstimmrecht. Die Frau hatte also weder publizistisch noch politisch etwas zu sagen.

«Eine Frau kommt zu früh» – passender hätte die Journalistin und Verlegerin Yvonne-Denise Köchli den Namen für ihre Biografie über Iris von Roten nicht wählen können. Am letztjährigen Weltmädchentag, dem 11. Oktober, fragte mich Yvonne-Denise, ob ich die Biografie mit ihr zusammen neu schreiben möchte. Mit einer Bestandsaufnahme von heute und der Frage, was Iris von Roten für die jungen Frauen bedeutet.

Nicht zuzusagen wäre wahnsinnig gewesen. Denn: wenn nicht jetzt, wann dann? Wahrlich, es geschieht so manches auf dieser Welt, das einen entmutigen kann. Ein Sexist wurde zum mächtigsten Mann der Welt gewählt. Frauenhass, Rassismus und Homophobie wurden dadurch für viele legitimiert.

In der Politik, auf den Festivalbühnen, auf den Podien, in den Teppichetagen dieses Landes bleiben Frauen untervertreten. Die Männerkollektive bleiben stark und verhindern wahre Chancengleichheit.

Und doch muss man sagen: Es brodelt gewaltig in der Frauenbewegung. Es herrscht geradezu ein feministischer Frühling in der westlichen Welt.

In den USA wurde der Women’s March zum grössten Protest der Geschichte des Landes. In Polen verhinderten Demonstrantinnen und Demonstranten ein restriktives Abtreibungsgesetz, in Argentinien demonstrierten Tausende gegen Gewalt an Frauen; in Island gegen die Lohndiskriminierung. Jüngst gingen in der Türkei Frauen gegen die Politik Erdogans auf die Strasse.

Der politische Rechtsrutsch und die dazugehörenden konservativen Rollenbilder zeigen deutlich, dass es feministische Errungenschaften zu verteidigen gilt.

Was passiert eigentlich in der Schweiz punkto Feminismus? Der Schweizer Aufschrei lenkte jüngst die Aufmerksamkeit auf den alltäglichen Sexismus und führte zu einer breiten öffentlichen Debatte. Das feministische Kollektiv aktivistin.ch macht mit aufsehenerregenden Aktionen weltweit Schlagzeilen und auch der Pussyhat ist hierzulande angekommen.

Auch in den Medien scheint die Frauenfrage wieder aktuell: Die Schweizer Illustrierte publizierte zum Frauentag eine Sonderausgabe mit feministischen Inhalten. Diverse Magazine porträtierten junge Frauen, die sich für Frauenanliegen einsetzen, und sogar der Blick widmete den Frauen eine Porträt-Serie.

Auf SRF lief diese Woche ein Dok zum Thema Vereinbarkeit, ein Club zum Thema Mutterschaft, ein Kulturplatz zum Thema Vorurteile und 10vor10 berichtet über die gläserne Decke. Der Frauentag war überall.

Als Supplément feiert der Film «Die Göttliche Ordnung» in diesen Tagen Schweizer Premiere. Die Regisseurin Petra Volpe hat die Geschichte über das Schweizer Frauenstimmrecht auf die Leinwand gebracht. Ich empfehle Ihnen den Kinobesuch wärmstens.

Auf politischer Ebene wird über den Vaterschaftsurlaub diskutiert und auch einzelne Politiker zeigen sich sensibilisiert auf patriarchale Strukturen: Der SP-Politiker Cédric Wermuth weigert sich fortan, an Podien teilzunehmen, die blosse Männerrunden sind. Die Präsidien der Juso und der Grüne sind derweil in fester Frauenhand.

Am diesjährigen Frauentag wurde gestrickt, gesungen, demonstriert und politisiert. Gestern fand die landesweite Frauendemo statt und nächstes Wochenende wollen sich hunderte für einen erneuten Women’s March in Zürich zusammenschliessen.

Einige dieser Aktionen hätte Iris von Roten mit ihrer spitzen Feder wohl nicht unkommentiert gelassen.

Heute zeigt dieser wundervolle Anlass, dass es ein Bewusstsein für und ein Interesse an Schweizer Frauengeschichte gibt.

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei Roman Weissen für die Einladung bedanken. Sein Engagement ist bewundernswert und wichtig. Es zeigt, wie unabdingbar es ist, Gleichstellungsthemen gemeinsam anzugehen.

Iris von Roten konnte ihren hundertsten Geburtstag nicht mehr feiern. Sie schied aus dem Leben in derselben Art, wie sie dieses führte: selbstbestimmt. Wie ein Ausrufezeichen nach einem tapferen Satz, so beschrieb Peter von Roten das Ableben seiner Frau.

Wenn Sie heute noch Leben würde, was würde sie wohl denken?

Freilich, die Hauptforderungen aus Frauen im Laufgitter sind erfüllt. Die Gleichstellung der Geschlechter ist seit 1981 in der Bundesverfassung verankert. Die Schweiz führte 1971 das Frauenstimmrecht ein, 2002 trat die Fristenregelung und 2005 die Mutterschaftsversicherung in Kraft. Mit der Pille erhielten Frauen in den 60er-Jahren ihre reproduktive Selbstbestimmung, sexuelle Freiheit und Unabhängigkeit.

Ein genauer Blick zeigt jedoch, wie viele Umstände die Frauen von absoluter Gleichstellung abhalten. Im Berufsleben herrscht eine Care Krise, Frauen übernehmen einen Grossteil der Gratisarbeit, Organigramme sind oben männlich und unten weiblich.

Lohnungleichheit, Altersarmut und schlechte Arbeitsbedingungen sind eine finanzielle Bedrohung für viele Frauen.

In der Liebe hat Frau nett auszusehen und zu lächeln. Sogar Politikerinnen oder Sportlerinnen werden systematisch auf ihr Aussehen reduziert. Frauen werden auf offener Strasse angemacht und angebaggert.

Unser Verhütungsstandard sieht vor, dass sich bereits junge Frauen monatlich mit Hormonen vollpumpen. Ein wahres Interesse an der Entwicklung der Männerpille besteht nicht. Die Periode ist noch immer ein Schamthema, weibliche Sexualität wird tabuisiert ­und Frauen, die sie offen leben, werden als «Schlampen» oder «Flittchen» bezeichnet.

In einem Land, in dem barbusige Frauen von allen Plakatflächen herunterschauen, wird öffentliches Stillen als obszön bezeichnet.

Muttersein und Nichtmuttersein wird verurteilt und fremdbestimmt. Mütter sollen gefälligst zuhause bleiben, kinderlose Frauen gelten als unnatürlich. Abtreibungsgegner ziehen jeden Herbst zu tausenden auf die Strasse und schreiben Frauen vor, was sie mit ihrem Körper tun sollen.

Noch immer übernehmen Frauen einen Grossteil der Haushaltsarbeit – selbst wenn sie selber ein grösseres berufliches Pensum bestreiten. Die Arbeit im Haushalt wird meist gratis verrichtet. Und wenn sie abgegeben wird, dann meist in die Hände von Migrantinnen.

Auf politischer und wirtschaftlicher Ebene bleiben Frauen untervertreten. In Zeiten, in denen trotz ungleicher Rechte gleiche Pflichten verlangt werden, ist die Forderung nach Frauen im Militär geradezu absurd.

Die Solidarität unter Frauen lässt oft zu wünschen übrig: Ein verinnerlichtes Minderwertigkeitsgefühl führt zu Rivalität, fehlender Solidarität, Eifersucht, Neid, Missgunst. Medien zelebrieren die dabei entstehenden Zickenkriege noch so gerne.

Mit dem Internet kamen Hasskommentare, die sich meist gegen Frauen richten und geprägt von sexualisierter Gewalt sind.

Ja, es gibt noch viel zu tun. Meine Generation hat andere – aber ebenso grundsätzliche und dringliche – Aufgaben als die Generation meiner Grossmutter oder Mutter. 

Meine Mutter ist heute mit mir hier. Als sie zur Schule ging, musste sie noch ein Röckli tragen. Frauenstimmrecht, Gleichstellungsgesetz, Pille, Fristenregelung und das neue Eherecht lagen in weiter Ferne. Ein anständiges Mädchen hatte damals züchtig gekleidet, folgsam, schweigsam und «gschaffig» zu sein.

Auf irgendeine wundersame Weise hat es meine Mutter geschafft, meine Schwester und mich mit allen Freiheiten zu erziehen, die sie selbst noch nicht hatte. Dafür möchte ich mich bedanken.

Der Blick nach vorne ist wichtig. Doch ebenso wichtig ist der Blick zurück. Tage wie diese sind wichtig. Sie erinnern an das mutige Engagement von fortschrittlichen Frauen und Männern, die sich für eine gerechte Welt eingesetzt haben. 

Am 5. März 1957 verlieh die Gemeindeverwaltung den Unterbächnerinnen ein einmaliges Abstimmungsrecht – gegen den Willen von Kanton und Landesregierung. Es bedurfte dazu nur einer grammatikalisch korrekten Auslegung der Bundesverfassung. Denn: Mit den Begriffen «Schweizer» oder «Bürger» war doch die Frau eigentlich mitgemeint.

Entschieden werden sollte an diesem historischen Tag über eine obligatorische Wehrpflicht der Frauen im Rahmen des Zivildienstes. Dass die Frauen hier mitbestimmen durften, war also mehr als nur fair.

33 von 86 Unterbächerinnen wagten den Gang ins Abstimmungslokal. Sie warteten auf die abendliche Dunkelheit, um den Beschimpfungen konservativer Nachbarn auszuweichen. Dieser Mut ist bewundernswert.

Das beschauliche Unterbäch ist als Pionierort des politischen Ungehorsams indes wunderbar unschweizerisch. Der historische Tag machte internationale Schlagzeilen. Gesamtschweizerisch war es das erste Mal überhaupt, dass Frauen an die Urne durften. Wohlbemerkt: Das Frauenstimmrecht kam erst 14 Jahre später.

Katharina Zenhäusern war die erste Frau, die in der Schweiz ihre Stimme abgegeben hat. Gegenüber dem SRF sagte sie vor ein paar Jahren: «Ich hätte nicht gedacht, dass das Interesse so gross sein wird. Es war etwas ganz Neues, bisher sah man die Frau immer nur im Haushalt. Für einige Männer war der Urnengang eine Enttäuschung, auch Frauen haben sich dagegen gewehrt.»

Die damaligen Gemeindeväter von Unterbäch wagten diesen Schritt auf Anraten von Iris und Peter von Roten hin. Das Paar setzt sich zu jener Zeit schon für die Rechte der Frauen ein.

Heute gilt Unterbäch als «Rütli der Schweizer Frau». Am 18. August 1985 wurde hier Elisabeth Kopp das Ehren-Bürgerrecht verliehen.

Iris von Roten sagte damals in ihrer Ansprache: «Die Vorstellung Rütli gibt ein Triumphgefühl. Ein Triumphgefühl, das von der Wahl einer Frau, von Elisabeth Kopp, zur ersten Schweizer Bundesrätin bestätigt wird.»

Der Anlass war für Iris von Roten ein Anfang der Freiheit und – gerade was die Freiheit der Frauen anbetraf – der Ausgangspunkt zur Erkämpfung der vollen Freiheit. Es seien die Frauen selbst, die mit ihrer Freiheit, ihrer Gleichberechtigung nun Ernst machen müssen.

Unterbäch ist gelebte Schweizer Geschichte. Ein Teil unserer Geschichte, auf den ich als Mensch, der wenig von Hurra-Patriotismus hält, sehr stolz bin.

Ich danke Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, vielmals für Ihre Aufmerksamkeit.

 

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What it feels like for a girl

Die Macht der Leserschaft. Ein Text über das, was für viele Schweizer Journalistinnen Redaktionsalltag bedeutet: Hassbriefe, Drohungen, Belästigungen.

Nach bald sieben Jahren in diesem grossartigen Beruf war ich heute zum ersten Mal so weit, dass ich fast geknickt bin. Vielleicht weil ich derzeit wegen drei Texten gleichzeitig geshitstormt werde. Vielleicht weil ich diese Woche nach dem Kritisieren eines K.O.-Tropfen-Witzes als heikel bezeichnet wurde. Vielleicht weil ich gestern auf dem nächtlichen Weg zu einer Freundin zweimal angebaggert wurde. Vielleicht weil ein Pussygrabber bald zum mächtigsten Mann der Welt wird.

Der Auslöser war schliesslich ein ganz banaler Hassbrief eines Clinton-Gegners. Die Zutaten wie üblich: Angriffe auf mein Aussehen, Unterstellungen fehlender Intelligenz, und Feminazi-Vorwürfe. Doch der Brief flatterte nicht etwa in meine Redaktion oder in meinen Posteingang. Er lag im Briefkasten meiner Mutter. Zuhause in Thun. Sie öffnete ihn und las, wie ein Fremder ihre Tochter beschimpfte. Sie steckte ihn zurück ins Couvert, leitete ihn pflichtbewusst zu mir nach Zürich mir weiter.

Ich kann damit umgehen. Ich bin unter anderem durch all den Dreck, den wir bei aktivistin.ch fressen müssen, auf eine kranke Art abgehärtet. Dort erhielten wir bereits Mord- und Vergewaltigungsandrohungen. Was offenbar normal ist für Frauen, die sich öffentlich äussern.

Einer Freundin von mir haben sie nach einem Artikel über das Zürcher Nachtleben gedroht, sie mit Säure zu überschütten. Sie so lange zu «ficken» bis sie «nur noch röchle». Eine andere erhielt ihren Text kotverschmiert per Post zurück. Eine weitere erhielt als Antwort auf eine Interviewanfrage die Zeilen «nein, aber du könntest mir einen blasen». Wieder andere werden bei kritischen Beiträgen als Nutten und Huren bezeichnet als wärs das Normalste der Welt. 

Die Liste ist endlos. Es ist unser Redaktionsalltag. Nur redet niemand darüber. Weil wir uns dafür schämen, dass irgendwelche Trolle es schaffen, uns zu entwürdigen. Weil Abgrenzung in der Theorie einfacher ist. Weil diese Worte teilweise so schmutzig sind, dass wir uns danach selbst schmutzig fühlen. Weil wir Hassbriefe einfach wegklicken – in der Hoffnung, dass unser Gedächtnis dasselbe macht. 

Diese Art von sexualisierter Gewalt erleben fast ausschliesslich Frauen. Der Guardian präsentierte letztes Jahr eine Auswertung von 70 Millionen seiner Online-Kommentare. Acht der am meisten angegriffenen Journis waren Frauen; die restlichen zwei waren schwarze Männer. Untersucht wurden Kommentare über einen Zeitraum von zehn Jahren. Also kommt mir nicht mit «Journalisten werden imfall auch angegriffen!». You’re missing the damn point. Lest den Titel dieses Texts. 

Wie gesagt: Ich halte das aus. Doch ich kann nicht damit umgehen, dass meine Mutter das liest. Dass irgendjemand einen solchen Brief in mein gelobtes Oberland schickt. «Mom», sagte ich am Telefon, «ich glaube, du musst meinen Namen aus dem Telefonbuch löschen und ihn vom Türschild nehmen». Ich will nicht, dass sie das sehen muss. Sie selbst hatte längst darüber nachgedacht. 

Wenn ich sehe, was andere Frauen so erleben, ist das alles vergleichsweise harmlos. Und doch macht es weh, dass mein Name nicht mehr am Türschild meiner Familie kleben wird. Weil es mir was bedeutet hat, zumindest formell in Thun noch ein Zuhause zu haben. Weil ich zum ersten Mal das Gefühl habe, nicht nur mich, sondern auch meine Familie schützen zu müssen.

Es ist die Kehrseite der Medaille. Und das ist okay. Weil die andere Seite einen unschätzbaren Wert hat. Und weil ich mich dafür entschieden habe. Dennoch: Es bleibt das Gefühl, dass Journalistinnen mit dieser Art von Feedback alleine gelassen werden. Es bleiben Missgunst, Hohn und die fehlende Solidarität von KollegInnen. Es bleibt der Hass von Fremden, der mich nach einem langen Tag in der dunklen, leeren Wohnung auf dem Küchentisch erwartet.

 

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