15 Voten zu 15 Jahren Fristenregelung

Im Juni 2002 wurde die Fristenregelung vom Volk angenommen. Sie ermöglicht Schweizer Frauen den straflosen Schwangerschaftsabbruch bis in die 12. Woche. Noch heute polarisiert das Thema Abtreibungen in allen Bereichen der Gesellschaft. 

Rebecca Djuric war selbst noch ein Kind, als sie ungewollt schwanger wurde. Den Schwangerschaftstest machte sie mit 15 auf der Schultoilette. Ihre Ärztin erwähnte die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs nur am Rande, ihre Pflegemutter redete ihr ein, Abtreibung sei Mord, und ihre leibliche Mutter liess sie mit der Entscheidung allein. Das ist jetzt acht Jahre her.

«Die Abtreibung war schlimm, doch das Jahr danach war die Hölle», erzählt die inzwischen 22-Jährige. Ihr Umfeld machte Rebecca ein derart schlechtes Gewissen, dass sie sogar versuchte, sich das Leben zu nehmen. Heute weiss sie, dass sie sich richtig entschieden hat. Doch die Stigmatisierung war lange sehr gross. 

1998 hörte man ähnlich heftige Töne: Der «juristisch legitimierte Kindermord» mache aus Spitälern wahre Schlachthäuser und der Holocaust sei «klein, gemessen an dem Selbstmord, den das Schweizervolk zu begehen im Begriff» sei. So argumentierte der Luchsinger EDU-Gemeinderat Heinz Hürzeler (71) gegen die Fristenregelung. Die parlamentarische Initiative zur Fristenregelung sei ein «Todesschatten, der unser Volk bedroht». 

Im selben Jahr lancierten Abtreibungsgegner die Initiative «Für Mutter und Kind», die das ungeborene Leben schützen sollte. 2002 kamen beide Vorlagen vors Volk. Die Fristenregelung wurde im Juni mit 72,2 Prozent angenommen; die Verbotsinitiative mit 81,8 Prozent abgelehnt. 

«Unsere kühnsten Hoffnungen wurden übertroffen», schreibt Anne-­Marie Rey (1937–2016) dazu in ihren Memoiren «Die Erzengelmacherin». Die Burgdorferin kämpfte 30 Jahre lang für eine Fristenregelung und war Gründungsmitglied der Schweizerischen Vereinigung für Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs (SVSS). Die klaren Voten setzten einen Schlusspunkt hinter ein jahrzehntelanges gesellschaftspolitisches Ringen.

Ein hundertjähriger Kampf 

Das Recht auf Abtreibung zählt zu den grossen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Als einer der Ersten setzte sich der Zürcher Arzt Fritz Brupbacher 1903 dafür ein. Die Situation damals war prekär: Verzweifelte Frauen stocherten so lange mit einer Stricknadel in ihrer Gebärmutter herum, bis die Fruchtblase platzte. Oft starben sie an den Verletzungen. Andere liessen sich von Dritten in den Bauch treten, um einen Frühabort herbeizuführen. «Viele Frauen haben ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt und wurden gesellschaftlich ausgeschlossen. Da gingen viele Leben kaputt», sagt die Psychologin Eva Zimmermann (57). Sie betreut in ihrer Praxis Frauen nach einem Abbruch. 

Als das Strafgesetzbuch 1942 in Kraft trat, wurde der Schwangerschaftsabbruch erstmals national geregelt. Er war nur dann straflos, wenn für die Frau «eine grosse Gefahr dauernden schweren Schadens an der Gesundheit» besteht. Zwei vom Kanton bestimmte Ärzte hatten diese Gefahr zu bescheinigen. Die Frau musste zudem eine schriftliche Zustimmung unterschreiben. 

Mit Inkrafttreten der Fristenregelung vor 15 Jahren erhielten Schwangere mehr Rechte: In den ersten 12 Wochen einer Schwangerschaft liegt der Entscheid über den Abbruch bei der Frau. Sie kann ein schriftliches Gesuch zuhanden eines Arztes stellen mit der Begründung, dass sie sich in einer Notlage befinde. Nach Ablauf der Frist wird ein ärztliches Urteil verlangt. Dieses muss eine schwere seelische Notlage oder die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung attestieren.

Harte Fronten auch heute noch

Kritik am Schwangerschaftsabbruch ist allerdings noch immer laut: Der «Marsch fürs Läbe» mobilisiert jeden Herbst Tausende Abtreibungsgegner. «Freunde des Lebens werden niemals akzeptieren, dass man Kinder im Mutterleib tötet», lautet die Botschaft. Die Märsche finden auch in Deutschland und den USA statt. Begleitet werden sie jeweils von heftigen Gegendemonstrationen.

Du sollst nicht töten, heisst es in der Bibel – doch wann fängt das menschliche Leben eigentlich genau an? Über diese Frage sind sich Ethiker, Mediziner und Theologen uneinig. «Bei der Empfängnis», sagt Bischof Charles Morerod (55). «Beim ersten Atemzug», finden andere. Aus theologischer Sicht wird oft damit argumentiert, dass Frauen ihren Entscheid später bereuen würden. Eine im letzten Jahr erschienene Studie der University of California spricht dagegen: Von 667 befragten Frauen gaben nur fünf Prozent an, ihren Entscheid bereut zu haben. Die Befragung fand drei Jahre nach der Abtreibung statt.

Die Debatte geht weiter

In der Schweiz entscheiden sich jährlich rund 10 000 Frauen für eine Abtreibung – eine Zahl, die seit zehn Jahren konstant ist. 2010 wurde die Fristenregelung erneut zum Politikum. Damals lancierte der Verein Mamma die Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache», die die Kosten aus der obligatorischen Grundversorgung streichen wollte. 2014 wurde die Initiative mit 69,8 Prozent abgelehnt. 

Nicht nur in der Schweiz, auch im Ausland geht der Kampf weiter. Im Oktober 2016 demonstrierten in Polen Zehntausende erfolgreich gegen die geplante Verschärfung des ohnehin schon strengen Abtreibungsgesetzes, das polnische Frauen oft dazu zwingt, für einen Schwangerschaftsabbruch ins Ausland zu fahren.

In den USA fürchten viele Frauen nach Trumps Wahlsieg, dass während seiner Präsidentschaft Verhütungsmittel schwerer zugänglich und Abtreibungen verboten werden könnten.

 

Die Pfarrerin: Sibylle Forrer (37), was sagt eigentlich die Bibel?

«Die Bibel sagt nichts zu Abtreibung, obwohl diese schon zu jener Zeit praktiziert wurde. Zudem hat sie ein ambivalentes Verhältnis zum Töten. Im Alten Testament gibt es eine Stelle, in der zwei Männer miteinander raufen. Dabei kommen eine Mutter und ein Kind zu Schaden. Wenn das Kind starb, musste der Verlust dem Mann vergütet werden. Starb die Mutter, galt ein Tötungsbefehl. Die beiden Leben waren also nicht gleichwertig.» 

Der Aktivist: Pascal Wacker (25), warum demonstrieren Sie heute noch?

«Ich verstehe bis heute nicht, was es andere Menschen angeht, ob jemand abtreibt oder nicht. Es gibt Frauen, die ungewollt schwanger werden, Komplikationen haben, noch nicht bereit sind oder vergewaltigt wurden. In einer aufgeklärten Gesellschaft darf niemand zu einem Kind gezwungen werden. Wenn religiösen Fundamentalisten das Recht auf Leben so heilig ist, sollten sie sich konsequenterweise vegan ernähren und Geflüchtete sowie Arme unterstützen. Für mich ist der «Marsch fürs Läbe» keine Meinung, sondern ein Gewaltaufruf gegen Frauen.»

Die Seite der SHMK: Dominik Müggler (58), was stört Sie an der Fristenregelung?

«Die Fristenlösung ist die derzeit grösste Schwachstelle in unserem Rechtsstaat. Das ungeborene Kind ist ein Vertreter der Gattung Mensch und Träger der Menschenwürde. Es darf nicht getötet werden, ohne dass dadurch eine Bestrafung ausgelöst wird. Ansonsten wird es zum «Nicht-Menschen» degradiert. Wir beraten bei der Schweizerischen Hilfe für Mutter und Kind (SHMK) derzeit rund 1300 Hilfesuchende. Wer sich im Schwangerschaftskonflikt befindet und weder weiss, dass es Hilfe gibt, noch solche angeboten erhält, hat im Grunde keine Wahl. Das wollen wir verhindern.»

Die Politikerin: Barbara Haering (63), wie war es, die parlamentarische Initiative einzureichen?

«Nach den Wahlen 1991 erkannten Frauenorganisationen im Parlament eine neue Chance für die Fristenregelung. Mit der SP vertrat ich die grösste Fraktion, die sich im Wahlkampf dafür ausgesprochen hatte, und reichte deshalb den Vorstoss ein. Es folgten ein neunjähriges parlamentarisches Verfahren und anschliessend ein harter Abstimmungskampf; mehrmals erhielt ich Morddrohungen. Die 90er-Jahre waren eine intensive Zeit, doch Anne-Marie Rey stand mehr im Mittelpunkt als ich. Ungeduldig wurde ich nie, denn die Zeit und die intensiven Diskussionen arbeiteten für uns.»

Die Psychologin: Eva Zimmermann (57), was beschäftigt Frauen nach einem Abbruch?

«Meine Patientinnen kommen in unterschiedlichen Momenten. Vor der Abtreibung, im jungen Alter oder Jahrzehnte nach einer Abtreibung. Unter den Frauen mit offenem Kinderwunsch gibt es immer auch solche, die einmal abgetrieben haben. Oft fragen sie sich dann, ob die Infertilität nun die Strafe sei. Dieses Denken und ein schlechtes Gewissen sind oft tief verankert. Ich helfe den Frauen, sich von ihren Schuldgefühlen zu befreien.»

Der «Marsch fürs Läbe»-Präsident: Daniel Regli (59), warum sind Sie dagegen?

«Wir finden, dass jedes Kind ein Recht auf Leben hat. Es gibt Berichte, dass sich das Kind während der Abtreibung gegen die Kanülen gewehrt hat. Da ist also ein Überlebenswille da. Natürlich gehört der Bauch der Frau, doch das Kind darin ist aus unserer Sicht eine eigene Rechtsperson und sollte geschützt werden. Verständnis habe ich für eine Frau, die nach einer Vergewaltigung die «Pille danach» nimmt. Auch wenn das Leben der Schwangeren bedroht ist, ist eine Ab­treibung für mich nachvollziehbar.» 

Die Betroffene: Rebecca Djuric (22), warum haben Sie anfangs mit Ihrer Abtreibung gehadert?

«Ich war 15 Jahre alt und lebte in einer Pflegefamilie, als ich schwanger wurde. Den Test habe ich auf der Schultoilette gemacht. Unterstützung erhielt ich keine. Die Ärztin wies mich nur nebenbei auf die Möglichkeit einer Abtreibung hin. Meine Pflegemutter warf mir vor, dass ich eine Mörderin sei, wenn ich abtreiben würde, und fragte, ob ich das verantworten könne. Meine Mutter fand, ich müsse darüber selbst entscheiden. Doch wie? Ich mochte Kinder immer, war damals aber selbst noch eins. Die Abtreibung war schlimm. Ich hatte mehrstündige Wehen; die Reste musste man auskratzen. Danach habe ich es kaum noch ausgehalten. Meine Gedanken kreisten um das Baby. Mit 16 folgten zwei Selbstmordversuche. Die Schuldgefühle, die man mir gemacht hat, und die negativen Einflüsse meines Umfelds waren zu gross. Heute weiss ich, dass ich mich richtig entschieden habe. Doch wenn einem ständig eingeredet wird, dass man etwas Schlimmes getan hat, glaubt man irgendwann selbst daran. Ich bereue meinen Entscheid nicht mehr. Frauen, die abgetrieben haben, sind keine schlechten Menschen und verdienen Unterstützung.» 

Der Partner: Dominik Steiner (32), wie war das, als Ihre damalige Partnerin abgetrieben hat?

«Ich war 26, und mir wurde irgendwann klar, dass es besser für uns ist, wenn wir das Kind nicht austragen. Mit meiner Meinung hielt ich mich jedoch zurück – ich hätte es als ­übergriffig empfunden, meiner Partnerin diese Haltung aufzudrücken. Schliesslich kam auch bei ihr die Option der Abtreibung auf den Tisch. Wir hatten das Glück, dass wir uns einig waren. Ich wäre aber so oder so hinter ihr gestanden. Eine Abtreibung verändert dich als Mann. Die Möglichkeit der Vaterschaft ist seither beim Geschlechtsverkehr viel präsenter.»

Die Seite der SVSS: Doris Cohen-Dumani (70), warum haben Sie sich damals engagiert?

«Gleichstellung war mir immer ein grosses Anliegen. 1980 hatte mich Anne-Marie Rey gefragt, ob ich mich engagieren wolle. Von 1984 bis 1987 übernahm ich gemeinsam mit ihr das Co-Präsidium der Schweizerischen Vereinigung für Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs (SVSS). Dass die Frau von einer medizinischen Kontrolle abhängig war, empfand ich als grosse Ungerechtigkeit. Sie konnte nicht über ihren eigenen Körper entscheiden.»

Der Ethiker: Torbjörn Tännsjö (70), wann beginnt ein menschliches Leben?

«Aus ethischer Sicht ist ein Fötus noch keine eigenständige Person mit Plänen und Wünschen. Aber es ist ein menschliches Leben. Viele Philosophen sind sich einig, dass das menschliche Leben bei der Empfängnis entsteht. Dass der Embryo schon eine Person ist, ist eine Haltung, die vor allem die katholische Kirche propagiert.» 

Die Frauenärztin: Theres Blöchlinger (70), wie verläuft ein Abbruch?

«Es gibt zwei Möglichkeiten für den Schwangerschaftsabbruch. Wenn er medikamentös erfolgen soll, wirkt Chemie in zwei Schritten. Über Stunden nach der Einnahme der ersten Substanz wird das Wachstum der Schwangerschaft blockiert. Mit dem zweiten in den Stoffwechsel eingebrachten Medikament wird die Muskelschicht der Gebärmutter angeregt, bis die Schwangerschaft ausgestossen ist. Beim chirurgischen Abbruch wird der Muttermund medikamentös aufgeweicht. Die örtliche Schmerzbekämpfung erlaubt dann die Erweiterung des Kanals in diesem Organteil mithilfe von sogenannten Hegarstiften. Ein mit einer Pumpe verbundenes Röhrchen saugt die Schwangerschaft zusammen mit der Hülle und Schleimhaut ab. Dieser Vorgang dauert mit der Vorbereitung etwa eine Dreiviertelstunde.» 

Der Männeraktivist: Markus Theunert (43), welche Rolle spielen die Männer?

«Der männliche Beitrag ist mehr als Zeugen und Zahlen. Männer sollten informiert und ihre Meinung angehört werden. Die Entscheidung liegt aber bei der Frau. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass sich Männer mit dem Thema auseinandersetzen – auch für ihre emotionale Nachbearbeitung. Was passiert, wenn ihnen das ungeborene Kind im Traum erscheint? Wie umgehen mit Ohnmacht, Wut, Trauer?»

Die Betroffene: Tanja Walliser (30), was hat Ihnen geholfen?

«Als ich schwanger wurde, waren mein damaliger Freund und ich noch im Studium. Er stand immer hinter mir, das war hilfreich. Lange war ich unentschlossen. Nach einem Dok-Film über Abtreibungen wusste ich, dass ich das wollte. Auch die politischen Diskussionen um das Thema waren mir sehr präsent. Mir war klar, dass ich nichts Verwerfliches mache. Frauen sollen ihrem Gefühl folgen, ohne dafür verurteilt zu werden. Neutrale Beratungsstellen sind wichtig. Egal, ob ich ohne Zweifel eine Schwangerschaft abbreche oder mich Gewissensbisse plagen, beides sollte akzeptiert werden. Inzwischen bin ich wieder schwanger, mit einem Wunschkind.»

Der Medizinhistoriker: Flurin Condrau (51), seit wann wird abgetrieben?

«Versuche, Schwangerschaften vorzeitig zu beenden, sind historisch seit der Antike nachweisbar. Zwischen der gesetzlichen Regelung und der volksmedizinischen Praxis bestand ein Graben. Die wissenschaftliche Medizin entdeckte den Frauenkörper im 19. Jahrhundert als Forschungsgegenstand. Erst die jüngere Frauenbewegung brachte endgültig Schwung in den Gesetzgebungsprozess. Der Schweizer Weg unterscheidet sich dabei nicht grundsätzlich von dem anderer europäischer Länder.» 

Der Bischof: Charles Morerod (55), sollte man nicht auch das Leben der Frau schützen? 

«Es ist nie nur eine Sache der Mutter: Beide Leben müssen geschützt werden. Manchmal ist gewiss, dass nur eine der beiden Personen gerettet werden kann, und dann muss man das tun. Wen wählt man aber, wenn man entweder die Mutter oder das Kind retten kann? 1962 hat die heilig gesprochene Italienerin Gianna Beretta Molla ihre Tochter bevorzugt. Diese ist heute noch dankbar, auch weil in diesem Fall Mutter und Tochter an das ewige Leben glauben.»

Chronologie der Ereignisse

1919 debattiert der Grossrat in Basel über eine Fristenlösung für die ersten drei Monate ohne Gutachten. Der Vorschlag wird abgelehnt.
1942 tritt das erste Bundesgesetz in Kraft, das den Schwangerschaftsabbruch verbietet und unter Strafe stellt
1971 kommt die Volksinitiative «Für die Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs» zustande.
1973 schliesst sich die Initiantengruppe zur Schweizerischen Vereinigung für die Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs (SVSS) zusammen
1976 wird die Initiative «Für die Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs» zugunsten der Initiative «Für die Fristenlösung» zurückgezogen
1977 wird die Fristenlösungsinitiative mit 51,7 Prozent abgelehnt
1980 wird die Initiative «Recht auf Leben» eingereicht
1985 lehnen Volk und Stände die Initiative mit 69 Prozent ab
1993 reicht SP-Nationalrätin Barbara Haering eine parlamentarische Initiative ein, die verlangt, dass der Schwangerschaftsabbruch während der ersten Monate der Schwangerschaft nicht strafbar ist
1998 lancierten Abtreibungsgegner die Initiative «für Mutter und Kind», die den Schwangerschaftsabbruch verbieten will
2001 wird die Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind (SHMK) gegründet, die sich bis heute für die Unterstützung der Mütter einsetzt. Im März heisst die Bundesversammlung die Fristenregelung gut, doch im Juli reichen Vertreter der CVP mithilfe von Abtreibungsgegnern das Referendum ein
2002 wird die Fristenregelung mit 72,2 Prozent angenommen; die Verbots-Initiative mit 81,8 Prozent abgelehnt
2010 lanciert der Verein Mamma zusammen mit einer Gruppe Parlamentariern die Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache», die die Kosten aus der Grundversorgung streichen will
2014 wird diese Initiative mit 69,8 Prozent abgelehnt

Quellen: Broschüre «Schwangerschaftsabbruch in der Schweiz» (SGRA, 1995) und svss-upda.ch

Mehr zum Thema

Mein Körper – Meine Entscheidung: Im Gespräch erzählt Juso-Präsidentin Tamara Funiciello (26) von ihrem Einsatz für die Kostenübernahme durch Krankenkassen bei Abtreibungen und erklärt, warum die Fristenregelung noch heute verteidigt werden muss.

Der Alltag in der Praxis: Theres Blöchlinger (70) vom Frauenambulatorium Zürich über ihre Arbeit, Abtreibungen und die Wichtigkeit der Fristenregelung.

(Publiziert am 3. Januar 2016 im Migros-Magazin / Bilder: Vera Hartmann und zVg / Audiovisuelles: Anne-Sophie Keller)

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Zu Hause bei Fremden

Sie wagten das Experiment und nahmen Flüchtlinge bei sich auf. Fünf Schweizer Gastfamilien und ihre neuen Mitbewohner erzählen über Ängste, Erfahrungen und Chancen eines (noch) nicht alltäglichen Zusammenlebens. 

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Als sich die Kinder zum ersten Mal stritten, wussten Alex (47) und Concetta (48) Kästli, dass der ganz normale Familienalltag eingekehrt war. Die Kinder, das sind die leibliche Tochter Anastasia und Said (Name von der Redaktion geändert), ein Flüchtling aus dem Iran. Beide sind 13 Jahre alt. Und beide wären sich normalerweise wohl nie begegnet. Angefangen hat es mit einem Aufruf über das Amt für Soziales, St. Gallen, das auf der Suche nach Pflegefamilien war. Ein Aufruf, der Concetta Kästli nicht mehr aus dem Kopf ging: «Das hat in mir ganz viel ausgelöst. Ich bin schliesslich Seconda.»

Anfang September 2015 reiste die Familie nach Altstätten SG, um Said im Auffangzentrum zu besuchen. «Wir haben zusammen eine Glace gegessen. Er war ganz schüchtern und hat nichts runtergebracht. Aber auch ich war nervös», sagt Anastasia. Mit Chiara (25), die schon ausgezogen ist und selber eine Familie hat, und Fabio (23) hat sie bereits zwei Geschwister. Als Nachzüglerin freute sie sich über den neuen Bruder und hätte ihn am liebsten gleich mitgenommen. Damit war sie nicht allein. «Ich habe Said beim Abschied umarmt», sagt Vater Alex Kästli. «Das ist sonst nicht meine Art. Aber es fühlte sich richtig an. Ich sagte ihm, dass wir uns, wenns geht, wiedersehen.» Auch Said hatte nach der Begegnung ein gutes Gefühl: «Im Auffangzentrum hatte ich Heimweh und vermisste meine Familie. Meine Mutter und Schwestern leben noch im Iran, mein Vater ist in Afghanistan gestorben.» Zusammen mit seinem Onkel gelangte Said im Schlauchboot einer Schlep­per­bande nach Griechenland. Über die Balkanroute erreichten die beiden die Schweiz. Sein Onkel wurde in Luzern untergebracht.

Schlaflose Nächte

Said traf Ende September 2015 mit einem Betreuer in Degersheim SG bei der Familie Kästli ein. Vor seiner Ankunft hatte die Familie das Gästezimmer für ihn eingerichtet. In der ersten Nacht im neuen Zuhause schlief er schlecht. «Er hat ständig geredet. Ich lag hellwach und habe mir furchtbare Sorgen gemacht», sagt Concetta Kästli. «Mein Mutterinstinkt war sofort aktiviert.» Said musste sich an die neue Umgebung gewöhnen. Ausser durchlöcherte Kleider besass er nichts. Ein Stapel neuer Kleider lag für ihn parat.

Inzwischen spielt Said im Junioren-Team des FC Degersheim, einem klassischen Multikultiverein. In der Schule besucht er eine Integrationsklasse. Wie lange er bei den Kästlis leben wird, ist derzeit noch ungewiss. Für sie gehört er aber bereits zur Familie: «Wir wollen ihn nicht integrieren, und dann wird er uns weggenommen. Dass er ein Pflegesohn ist, macht für uns keinen Unterschied. Er ist ein Teil von uns.»

Minderjährig und auf der Flucht

Said hatte das Glück, mit seinem Onkel auf der Flucht zu sein. Immer grösser wird die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen (UMA), die Richtung Norden unterwegs sind. 2378 UMA stellten letztes Jahr ein Asylgesuch in der Schweiz. 2014 waren es noch 794. In St. Gallen kommen unter 14-Jäh­rige in Pflegefamilien; die Älteren sind im Zentrum Thurhof untergebracht. Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren will demnächst Empfehlungen für die Unterbringung und Betreuung von UMA vorlegen.

In Basel dürfen Gastfamilien seit Ende Dezember UMA bei sich aufnehmen. Denn die 15 Plätze im Basler Wohnheim für minderjährige Flüchtlinge waren schnell weg. Die Sozialhilfe Basel-Stadt sucht seither in Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugenddienst Unterkünfte. Mit der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige (GGG) hat die Sozialhilfe zudem eine Kontaktstelle geschaffen, die es auf einfache Art erlauben soll, Flüchtlinge aufzunehmen. Sabine (57) und Benedict (58) Schubert haben von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Und sind ungebremst in die neue Lebenssituation reingerutscht.

Am 14. Dezember 2015 nahmen die Religionspädagogin und der Pfarrer mit der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige Kontakt auf. Noch am selben Tag fragte die Gesellschaft, ob eine Kontaktperson vorbeikommen könnte. Als Verantwortliche eines Wohnheims für 25 Studierende im Auftrag der ­Stiftung Theologisches Alumneum in ­Basel und Eltern von vier erwachsenen Kindern sind sich die Schuberts Betrieb gewohnt. Auf die Situation mit den zwei Flüchtlingsbuben hätte sie dennoch niemand vorbereiten können: Zu vieles war unbekannt.

Überforderung und Überzeugung

Sabine Schubert

«Fünf Tage nach unserem Gespräch mit der GGG, also am 21. Dezember, wurden die Brüder H. (14) und K. (16) aus Afghanistan bei uns abgegeben», erzählt Sabine Schubert. Das sei ihr Weihnachtsgeschenk gewesen. Unterstützt wird das Paar von einer Juristin der GGG, einer offiziellen Beiständin des Kinder- und Jugenddienstes sowie einer Kontaktperson bei der Pflegeeltern-Bewilligungsbehörde. Auch das Sozialamt Basel-Stadt wird bei administrativen Belangen miteinbezogen. Zudem wurde der Familie ein Hausarzt zugewiesen. Über die Feiertage sei es jedoch schwierig gewesen, die richtige Unterstützung zu finden. Mittlerweile funktioniere das Zusammenspiel mit den Ansprechpersonen.

Aber der Flüchtlingsansturm überfordere immer noch alle. «Die Flüchtlinge selbst, die Behörden, uns Gasteltern, die Politiker, die Gesellschaft. Darum müssen wir umso mehr zusammenarbeiten», sagt Sabine Schubert. Klar sei, dass man es als Familie nicht allein schaffe, «es braucht ein Umfeld, das einen stützt».

Der Anfang war hart. «Man merkte den Buben die Rastlosigkeit an. Sie schliefen oft in den Kleidern. Als hätten sie Angst, am nächsten Tag gleich wieder aufbrechen zu müssen. Wir schauen nun von Tag zu Tag, ob es für beide Seiten lebbar ist. Haben die Kinder Raum zum Atmen? Mehr braucht es im Moment gar nicht.» Inzwischen sei es möglich, eine Tagesstruktur zu leben: zusammen aufstehen, zusammen essen, am Abend einen Tee trinken. Im Februar waren die Buben in einem Skilager der Kirchgemeinde mit dabei. Mit ihren Pflegeeltern haben sie täglich via SMS kommuniziert. Die Sprache: Smileys und Icons. Sie funktioniert.

Irgendeine Angst begleitet beide Seiten immer. Die Angst, Fehler zu machen. Die Angst, an Grenzen des Verstehens und der Kraft zu kommen. Doch die Angst schafft auch Nähe. Als Pflegeeltern ist es für Sabine und Benedict Schubert in erster Linie wichtig, den Buben verständlich zu machen, dass sie willkommen sind. Der Anfang sei «unschweizerisch undurchdacht» gewesen. So wäre mehr Zeit für die Vorbereitung hilfreich gewesen. Sabine Schubert resümiert: «Wir machen es nicht perfekt, wir machen es einfach.»

Eine junge Idee macht Schule

Die teilweise schwierigen Umstände bei der Familie Schubert in Basel zeigen: Ein Erfahrungsschatz in der privaten Unterbringung von Flüchtlingen wird erst allmählich aufgebaut. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe rief im Oktober 2013 erstmals dazu auf, Flüchtlinge bei sich aufzuneh­men. Es meldeten sich 150 Personen für das Projekt «Gast­geber sein». Im März 2015 fand dann der erste Asylsuchende in der Romandie einen Platz bei einer Familie. Mittlerweile verweisen die Sozialdepartemente der Kantone Aargau, Bern, Waadt und Genf interessierte Private an die Flüchtlingshilfe. Die Suche nach geeigneten Flüchtlingen übernimmt der Kanton, der als Betreiber der Unterkünfte weiss, wer infrage kommen könnte. Die Flüchtlingshilfe koordiniert schliesslich die Unterbringung.

Geduld ist gefragt

Allgemein trägt das Staatssekretariat für Migration die Verantwortung für das schweizerische Asylverfahren. Es betreut die Empfangs- und Verfahrenszentren, wo Asylsuchende ihr Gesuch einreichen. Letztlich liegt es in der Verantwortung der jeweiligen Gemeinden, Unterkünfte für zugewiesene Flüchtlinge zu finden.

Während das Projekt anfangs mit bürokratischen Hürden kämpfen musste, konnten die administrativen Abläufe mittlerweile etwas vereinfacht werden. Interessierte müssen sich aber nach wie vor zwei bis drei Monate gedulden, bis eine konkrete Anfrage für die Unterbringung eines Flüchtlings eintrifft. Eine Vielzahl von Ansprechpartnern behindert oft eine rasche Abwicklung. Eine nationale Regelung zur privaten Unterbringung gibt es nicht. Im Kanton Freiburg lancierte etwa eine Bürgergruppe eine Hotline, über die Angebote deponiert und an die Kantone weitergeleitet werden können. In Basel-Stadt erlaubte die Sozialhilfe das Thema Privatunterbringung im Dezember 2015. Zürich liess auf sich warten: Der Stadtrat lancierte im Herbst 2015 ein Gastfamilienprojekt, um die private Unterbringung von Flüchtlingen zu ermöglichen. Laut der Asylorganisation Zürich haben sich bereits Personen gemeldet, die bereit wären, Flüchtlinge bei sich ­aufzunehmen.

Pionierarbeit im Aargau

Marie-Theres und Alois Kaufmann mit Milad Kourie und Merna Ablahad und deren zwei Söhne

In der Deutschschweiz hat das Ehepaar Kaufmann aus Sins AG mit der privaten Flüchtlingsunterbringung Pionierarbeit geleistet. «Wir waren die erste Familie in der Deutschschweiz und die zweite überhaupt in der Schweiz, die Flüchtlinge aufgenommen hat», sagt Marie-Theres Kaufmann (75) mit einer überraschenden Selbstverständlichkeit. Das Medieninteresse, das ihr Fall auslöste, versteht sie nicht wirklich: «Unsere vier Söhne sind längst ausgezogen. Das obere Stockwerk stand also schon längere Zeit leer. Als wir die Broschüre der Flüchtlingshilfe erhielten, war der Fall für uns klar.»

Am 1. April 2015 zog das syrische Ehepaar Milad Kourie (35) und Merna Ablahad (26) mit Sohn Elias (2) ein. Vor dem Krieg geflüchtet ist das junge Paar sehr früh, vor drei Jahren, und noch mit dem Flugzeug. Mittlerweile leben sie zu viert in der Schweiz: Im November kam Lucas zur Welt. Das Kindergeschrei stört die Kaufmanns keineswegs – im Gegenteil: «Wenn die Kleinen herumspielen, ist das sehr schön. Es ist dann nicht so still im Haus», sagt Marie-Theres Kaufmann. Auch die Nachbarn zeigten grosses Verständnis für die Zuzügler: «Obwohl wir hier in einem rechtsbürgerlichen Umfeld leben, haben wir nur Anerkennung und Unterstützung erfahren», stellt Alois Kaufmann (76) fest.

So kann Milad Kourie beim Goldschmied im Dorf arbeiten. Die Beschäftigung tue ihm gut. «In Syrien habe ich 16 Jahre lang als Goldschmied gearbeitet», sagt er. Eine Anstellung liegt für das Geschäft aus finanziellen Gründen nicht drin, doch der kulturelle Austausch ist für beide Seiten wertvoll. Kourie hofft nun auf einen baldigen Eintritt ins Erwerbsleben und den Schritt in die Unabhängigkeit.

Integration durch Arbeit

Wenn erwachsene Flüchtlinge bei privaten Gastgebern leben und diese sie in den Alltag und in die Regeln des Zusammenlebens einführen, sollten sie nach einem Jahr genug integriert sein, um – falls die Möglichkeit ­besteht – in eine eigene Wohnung zu ziehen und zu arbeiten. Je nach Kanton dürfen Asylsuchende oder vorläufig aufgenommene Jugendliche eine Lehrstelle antreten.

Der Bundesrat lancierte im Dezember 2015 ein Pilotprogramm zur Flüchtlingslehre. Damit sollen fähige und motivierte anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene frühzeitig sprachlich und fachlich geschult und mit Praxiseinsätzen in die Schweizer Arbeitswelt eingeführt werden. Das Pilotprojekt richtet sich primär an Branchen mit einem Arbeitskräfte- oder Lehrlingsmangel wie die Gastronomie oder die Landwirtschaft. Ab 2018 sollen so jährlich bis zu 1000 Flüchtlinge berufliche Grundkompetenzen erhalten. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe schlug derweil im November 2015 Massnahmen vor, um die Erwerbsquote von Flüchtlingen zu steigern. Der zentrale Punkt sei die Einführung von mehrmonatigen bis einjährigen Berufseinsteigerkursen. Sie sollen von den Berufs- und Branchenverbänden konzipiert und getragen werden.

2015 stellten 40 000 Personen in der Schweiz ein Asylgesuch. Per Ende Jahr waren nur 278 von ihnen erwerbs­tätig. Ein Grund: Für Asylsuchende besteht in den ersten drei bis sechs Monaten des Aufenthalts ein Arbeitsverbot. Sobald sie einen Job haben und Geld verdienen, müssen sie die bezogenen Sozialhilfegelder mit einer Lohnabgabe von rund zehn Prozent zurückzahlen.

Mehrgenerationen-WG in Bern

Hans und Heidi Weiss mit Rodeng und Nuhad

Die berufliche Integration ist auch bei Rodeng Abbas (28) ein zentrales Thema. In Damaskus hat er als Plattenleger gearbeitet. Nicht ohne Stolz sagt er: «Und hier in der Schweiz mache ich eine Vorlehre als Plattenleger.» Im Sommer kann er im Rahmen des Programms «25Plus» der Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule Bern eine Lehre anfangen. Zwei Tage pro Woche wird er in die Schule gehen, an drei Tagen kann er bei der Blatter AG in Bümpliz als Bodenleger arbeiten. Geflüchtet ist er vor vier Jahren. Zuerst nach Istanbul, dann nach Tunesien. Mit falschen Papieren überquerte er im Juli 2012 die Schweizer Grenze in Genf.

Im Deutschunterricht hat Rodeng Heidi Weiss (69) kennengelernt, die im Tauschnetz Länggasse in Bern und auch privat ehrenamtlich Migranten unterrichtet. «Rodeng hat damals in der Asylunterkunft im Hochfeld gelebt. In einem Luftschutzkeller, in dem Flüchtlinge verschiedener Kulturen auf engem Raum zusammenleben», sagt sie. Eines Tages fragte sie ihren Mann, ob man nicht ein Zimmer entbehren könnte; schliesslich hätten sie in ihrer Wohnung im Berner Länggassquartier Platz genug. Hans Weiss (75) war sofort dabei: «Heidi und ich haben zwei Töchter, und ich habe drei Kinder aus früherer Ehe. Wir sind Betrieb gewohnt.»

Rodeng zog Anfang 2013 ein. Vor einigen Monaten fragte er, ob auch sein Bruder Nuhad (17) bei Heidi und Hans Weiss wohnen könne, bis er für sich und ihn eine Wohnung finde. «Wir haben realisiert, dass es für sie schwierig sein wird, eine Wohnung zu finden, haben aber gleichzeitig gemerkt, dass wir zu viert gut zusammenleben können.» Seither gehen Heidi und Hans Weiss als «Onkel» und «Tante» den beiden Flüchtlingen vor allem bei Administrativem zur Hand. Dafür flicken die jungen Männer Fahrräder oder helfen im Garten. «Es ist eine klassische Win-win-Situation», sagt Hans Weiss.

So fliesst das Geld

Für die Untermiete, die auch die Mitbenutzung von Küche, Bad und eines Arbeitsplatzes einschliesst, erhält das Ehepaar Weiss monatlich 750 Franken vom Sozialdienst.

Die Kantone erhalten vom Bund eine Monatspauschale von 1500 Franken pro Person für die Unterbringung. Falls Private Flüchtlinge aufnehmen, zahlt ihnen das kantonale Migrationsamt das Logis, der Betrag ist dabei von Fall zu Fall verschieden. ­Zudem zahlt die jeweilige Migrationsbehörde den Flüchtlingen das Geld für Essen direkt aus – auch weil die kulinarischen Gewohnheiten oft nicht denen der Gastfamilien entsprechen.

Momos und Gerstensuppe

Esther und Bernhard Oettli mit Chokyi Pashe und Tsega Samthoen

Für Chokyi Pashe (38) und ihren Mann Tsega Samthoen (36) hat die Integration bei einem dampfenden Teller Bündner Gerstensuppe angefangen, gegessen im Haus von Esther (65) und Bernhard (64) Oettli in Beringen SH, wo das tibetische Paar seit dem 5. November 2015 zu Hause ist.

In Beringen SH hatten die beiden erstmals Kontakt zur Schweizer Kultur. Auch Oettlis entdecken immer wieder Neues: Als Esther Oettli am Morgen des 9. Februar, dem Beginn des tibetischen Frühlingsfestes, die Küche betrat, wurden ihr Chhang (ein heisses Getreidebier), süsslicher Reis, gesalzener Buttertee und wenig später Momos serviert. Die Teigtaschen sind ein tibetisches Nationalgericht.

Ganz neu war die Erfahrung nicht: Esther und Bernhard Oettli haben in den 80er-Jahren zusammen in der Entwicklungsarbeit in Nepal gearbeitet. Verständnis für andere Kulturen war also bereits vorhanden. Das Zusammenleben funktioniert: Tibetischer und Schweizer Alltag kommen gut aneinander vorbei. Beinahe zu gut, wie Bernhard Oettli findet: «Momentan leben wir fast zu fest aneinander vorbei. Sie gehen zum Beispiel früher schlafen und stehen früher auf.»

Als Tsega Samthoen und Chokyi Pashe bei den Oettlis ankamen, hatte das einen wundersamen Nebeneffekt auf die Nachbarschaft. «In so einem Quartier wie hier muss man die Nachbarn informieren, wenn man eine solche Aktion plant», sagt Bernhard Oettli. An einem «Samstag der offenen Tür» hätten sich dadurch schliesslich Nachbarn kennengelernt, die seit Jahren in der gleichen Strasse wohnen.

(Erschienen im Migros-Magazin, März 2016, Bilder: Daniel Auf der Mauer)

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Sexuelle Gewalt: Wir haben genug

Aggressive Anmache, Begrapschen, sexuelle Übergriffe: Jede fünfte Frau in der Schweiz macht solche Erfahrungen. Stellvertretend für die vielen Betroffenen erzählen 24 Frauen über ihre Erlebnisse mit dreisten Männern. 

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Es passiert im Tram, im Einkaufszentrum, im Club, am helllichten Tag, bei der nächtlichen Heimkehr oder auf dem Weg zur Arbeit. Und es passiert jeder fünften Frau in der Schweiz: sexualisierte Gewalt. Ihre Formen sind zahlreich und gehen von Beschimpfungen bis zu tätlichen Übergriffen. Mit den Vorfällen in Köln gerieten die Attacken im öffentlichen Raum schlagartig ins Bewusstsein der breiten Bevölkerung. Sie sind kein durch Migration importiertes Problem. Doch sie sind für viele Frauen in der Schweiz Alltag. Dennoch wird das Thema nur selten öffentlich diskutiert. Viele Frauen verschweigen das Geschehene. Aus Angst, Selbstschutz oder Scham. Und Medien berichten oft nur über die «spektakulären Fälle».

Doch es sind keine Fälle, es sind Menschen. Zum Beispiel Sonia Bischoff, die in einem verriegelten Auto von einem Taxifahrer bedrängt wurde. Nataly Baumgartner, die als Minderjährige beim Warten auf den Zug von einem entblössten 50-Jährigen flüchtete. Michelle Feer, die sich an einem Festival von einem Mann losreissen musste. Zusammen mit anderen Frauen erzählen sie hier ihre Geschichten – repräsen­tativ für viele, die sonst kaum Gehör finden. Der Welt­frauentag, der am 8.März stattfindet, ist ein guter Anlass dafür.

Viele Frauen schweigen

Die Schuldfrage ist dabei allgegenwärtig: Hätte ich es verhindern können? Warum habe ich mich nicht gewehrt? Diese Fragen stellen sich die meisten betroffenen Frauen. Eine Haltung, die durch das gesellschaftlich etablierte, sogenannte «Victim Blaming» gefördert wird: Die Schuld wird den Opfern zugeschrieben, nicht den Tätern. «Frauen verzichten oft auf eine Anzeige, weil ein hohes Risiko besteht, dass ihnen die Schuld zugewiesen wird, etwa zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein, die falsche Kleidung angehabt zu haben, zu betrunken gewesen zu sein», sagt die Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach. Oft stehe auch Aussage gegen Aussage: «Wir wissen, dass vielen deshalb von einer Anzeige abgeraten wird.»

Wagen die Frauen dennoch den Gang an das Gericht oder an die Öffentlichkeit, erwarten sie weitere Demütigungen und Zweifel an ihren Geschichten. Die Konsequenzen sind bedenklich: Viele Betroffene begleitet das Erlebte ein Leben lang, während bloss ein Bruchteil aller Täter angezeigt wird. Die Verurteilungsquote liegt bei rund drei Prozent. Sexuelle Gewalt ist somit ein beinahe straffreies Delikt.

Unterstützung fehlt von allen Seiten: den Behörden, der Gesellschaft, der Justiz. Als Folge haben Frauen gelernt, die Grenzüberschreitungen zu akzeptieren. Sie haben sich damit abgefunden, dass es normal ist, in einem Club ohne Einverständnis angefasst zu werden. Sie haben gelernt, nach Zurückweisung unerwünschter Avancen mit «Schlampen»-Zurufen zu leben. Doch sexualisierte Gewalt ist ein Problem, das die Gesellschaft nicht länger als normal akzeptieren darf.

24 Frauen und 24 Geschichten

Meine damalige Freundin und ich küssten uns vor drei Jahren im Zug. Es war gegen 23 Uhr. Plötzlich kam ein Fremder um die 30 und machte uns an. Nach unserer Abweisung wurde er wütend. Die Mitfahrenden reagierten nicht. Er bedrohte uns schliesslich, ging ins nächste Abteil und masturbierte dort. Als wir ausstiegen, lief er uns nach und sprach Morddrohungen aus. Wir stiegen in ein Taxi. Er schlug auf die Fensterscheibe ein.
Geneva Moser (27), Bern 

Das erste Mal, als ich sexuell belästigt wurde, war ich zwölf Jahre alt. Ich war auf dem Weg zum Gitarrenunterricht im Friesenberg. Am Goldbrunnenplatz stieg ich in einen Bus der Linie 32 ein. Ein Mann um die 50 nutzte die Gelegenheit, um meine kaum vorhandenen Brüste unter meinem weiten Pullover zu befummeln. Mit beiden Händen. Dabei zwinkerte er mir zu. Es war widerlich. Und der Typ lächelte nur.
Sabrina Ben Salah (41), Zürich 

Es passierte vor einem Monat an der Langstrasse. Ich war mit Freundinnen unterwegs. Wir begannen, mit einer Gruppe von Männern zu reden. Als ich auf die Toilette wollte, folgte mir einer der Männer. Ich denke, er war so Mitte 20. Glücklicherweise merkte es der Barbesitzer und kam herunter. Es hätte blöd enden können, ich hatte ja mein Handy nicht dabei und war im unteren Stock. Mich hätte niemand gehört.
Tiba Ponnuthurai (19), Wädenswil ZH

Wegen meines grossen Busens hatten viele Männer das Gefühl, sie könnten mich anfassen. In diesen Momenten war ich jeweils total blockiert. Es ist mein Körper. Da erwartet man nicht, dass andere sich die Freiheit nehmen, ihn anzufassen. Zum Glück kümmerte sich meine Schwester um diese Typen. Sie wurde auch schon handgreiflich. Doch Bemerkungen gab es ständig. Mit 14 rief mir einer an einem Badetag am See «geile Titten» zu.
Nina Basso (24), Zürich-Seebach

Vor fünf Jahren wurde ich an einem kleinen Bahnhof im Thurgau von einem Mann um die 50 angestarrt. Er lief etwa zehn Mal an mir vorbei. Beim letzten Mal sah ich, dass sein Reissverschluss offen war und er sein Geschlechtsteil in der Hand hatte. Ich nahm mein Handy aus der Tasche und wollte meine Eltern anrufen. In diesem Moment rannte er weg. Ich meldete den Vorfall der Polizei. Ich wollte nicht, dass das noch einem Mädchen passiert.
Nataly Baumgartner (22), Sirnach TG

Auf dem Heimweg von einem Studi-Job traf ich in einer Passage auf zwei Männer. Der eine tippte den anderen an und zeigte in meine Richtung. Als ich an ihnen vorbeiging, packte mich der eine und drückte mich an die Wand. Der andere langte mir in die Hosen. Ich dachte, wenn ich mich wehre, habe ich ein Messer im Rücken. Schliesslich trat ich dem einen zwischen die Beine. Ich riss mich los und rannte zum Auto, wo ich nur noch weinte.
Tanja Bircher (28), Schaffhausen

Im Dezember 2014 kehrte ich gegen vier Uhr morgens vom Ausgang nach Hause zurück. Bei der Zürcher Bäckeranlage merkte ich, dass mir einer folgte. Ich wechselte die Strassenseite. Er wechselte sie auch. Ich suchte meinen Schlüssel, da packte er mich und versuchte, mich in den Park zu ziehen. Mein Adrenalin-pegel stieg sofort. Als ich versuchte, mich loszukämpfen, liess er sofort los. Ich rief meine Mutter an.
Nadja Brenneisen (24), Zürich

Ich war 24 und musste unbedingt pünktlich bei der Arbeit erscheinen. Der Taxifahrer war gegen 60, ein Schweizer mit Bierranzen und Ländlermusik im Radio. Ich erzählte ihm, warum ich nicht den Zug nehme. Plötzlich sagte er, ich könne auch mit Sex bezahlen. Er fuhr immer schneller, die Tür war verriegelt, seine Hand auf meinem Oberschenkel. Als ich ihm mit erfundenen Mafiakontakten drohte, liess er mich raus. Ich blieb vier Tage zu Hause, unter Schock.
Sonia Bischoff (41), Zürich

Es war letzten Herbst in Kleinbasel. Ich wartete mit einer Freundin aufs Tram. Da kam ein Mann daher: ziemlich aufgeladen und sehr zugedröhnt. Man hörte ihn bereits von weit her herumgrölen. Er sprach uns schliesslich an und fragte: «Wollt ihr ficken?» Wir schauten weg. Er liess nicht locker, öffnete seinen Hosenladen, zog seinen Penis heraus. Ich stand auf und sagte ihm, er solle verschwinden. Dann zog er zum grossen Glück endlich weiter.
Seraina Degen (29), Basel 

Als ich acht Jahre alt war, griff mir ein Mann in der Badi zwischen die Beine. Ich realisierte das erst Jahre später. Aufgehört haben die Belästigungen nie. Als Erwachsene wurde mir zahlreiche Male an Festivals oder in Clubs an den Hintern gefasst. Das ist traurigerweise normal geworden. Einmal liess mich einer nicht los und klammerte sich gewaltsam an mich. Das überforderte mich enorm, da ich extrem schüchtern war. Ich denke, heute würde ich mich wehren.
Michelle Feer (25), Winterthur ZH

Im Ausgang gehören sexuelle Belästigungen zum Alltag. An meinem 16. Geburtstag griff mir erstmals ein Mann zwischen die Beine. Ich konnte gar nicht reagieren. Man sagt, ein Mensch reagiere bei Bedrohungen wie ein Tier: entweder mit Flucht, Angriff oder Totstellen. Der Schock, der einen lähmt, das ist das Totstellen. Und es macht die Sache besonders schlimm, weil sie einen ohnmächtig macht. Und weil Männer dann einfach davonkommen.
A. S. (26), Lausanne

Ich ging nach dem Ausgang vom Zürcher Hardplatz aus Richtung Güterbahnhof, als auf einmal ein Auto ganz langsam neben mir her fuhr. Ich erkannte einen Mann darin, er glotzte mich an. Ich war genervt und zeigte ihm den Stinkefinger. Ein Fehler. Er hielt 30 Meter vor mir an. Ich geriet in Panik. Zum Glück konnte ich ein anderes Auto anhalten und mir so Hilfe holen. Der andere fuhr weg. Ich weiss nicht, was sonst passiert wäre.
Linda Landolt (30), Zürich

Ich war 20 Jahre alt und ging in den damaligen Zürcher Club Alte Börse in den Ausgang. Bei der Garderobe griff mir ein Typ zwischen die Beine unter die Unterhosen. Ich drehte mich um, aber ich konnte niemanden als
Täter identifizieren. Es schaute niemand hin. Alle taten so, als wären sie in ein Gespräch verwickelt. Ich war enorm erschrocken – so fest, dass ich gar nichts mehr machen konnte.
Sarah Basso (26), Zürich Seebach  

Im Sommer 2013 besuchte ich mit meiner Mutter ein Open-Air-Kino. Ein älterer Mann setzte sich neben mich. In der zweiten Hälfte des Films wurde es kühl. Ich wollte meine Jacke anziehen, die zusammen mit meiner Tasche auf dem Schoss lag. Da sah ich seine Hand auf dem Oberschenkel. Ich hatte sie wegen des Gewichts der Tasche nicht gespürt und wischte sie sofort weg. Für mich war am schlimmsten, dass ich nicht wusste, wie lange seine Hand schon da war.
Flavia Caroni (24), Bern 

Sexuelle Belästigung erfuhr ich von Männern, die ihre Machtposition ausnutzten. Vor etwa 15 Jahren wollte mein Chefredaktor bei einem Apéro in einer Bar mit mir flirten. Nicht mein Typ, nicht mein Alter. Er kam ganz nahe an mich ran und spielte mit seiner Zunge herum. Die anderen am Tisch grinsten nur blöd, als wärs ein Witz gewesen. Als ich ihn wegstiess, wurde er sauer. Nach diesem Vorfall wurde ich bei der Arbeit schlechter behandelt.
S. C. (50), Filzbach GL

Ich war Mitte Februar an einem Samstag mit einer Kollegin im Ausgang. Danach setzten wir uns noch auf eine Bank und redeten ein bisschen. Da hörten wir ein Stöhnen. Plötzlich entdeckten wir einen Mann auf der gegenüberliegenden Strassenseite. Er war am Masturbieren. Als er sah, dass wir ihn entdeckt hatten, ging er fort. Ich war entsetzt und wütend. Man fühlt sich beschmutzt. Ich merke, dass mich solche Dinge immer feministischer machen.
R. T. (21), Winterthur ZH

Letzten Sommer sagte mir ein Velofahrer, mich «müsse man mal so richtig in den Arsch ficken». Bloss weil ich eine rote Ampel überfahren hatte. Es passierte in Bern bei der Grossen Schanze. Er fuhr mir danach noch nach und versuchte, mich an den Rand zu drängen. Schliesslich hielt ich an und liess ihn überholen. Mich irritierte, dass er so hasserfüllt war. Alle seine Beschimpfungen hatten irgendwelche Vergewaltigerphrasen drin.
U. Y. (35), Bern 

Im letzten November kehrte ich nach dem Ausgang in St. Gallen nach Hause zurück. Plötzlich folgten mir etwa zehn jüngere Männer. Sie sagten, ich solle nicht so schnell laufen, ich käme eh nicht weg. Ich ging immer schneller, rannte schliesslich. Glücklicherweise bogen sie dann ab. Das war nicht die einzige Belästigung. Im Club betatscht zu werden, ist schon fast Alltag – auch dass viele Männer ein Nein nicht akzeptieren, einen auslachen und als öde Feministin beschimpfen.
N. K. (21), St. Gallen 

Mit 16 hatte ich bereits Körbchengrösse F. Im Ausgang wurde ich oft gefragt, ob ich nicht Lust auf ein Abenteuer hätte. Ich würde nämlich so aussehen. Ich war damals noch Jungfrau, aber betrachtet wurde ich als Sexobjekt. Kurz vor meiner Brustverkleinerungsoperation vor sieben Jahren traf ich einen alten Freund im Club. Als ich seinen Kollegen bat, ein Foto von uns zwei zu machen, platzierte der Kollege die Hand meines Freundes an meine Brust.
N. M. (26), Zufikon AG

Vor vier Jahren ging ich einmal vom Bahnhof St. Gallen aus allein nach Hause Richtung Silberturm. Beim Stadttheater kam mir einer entgegen und lief neben mir her. Irgendwann packte er mich und versuchte, mich zu küssen. Ich schrie und wehrte mich. Zwei Mal schlug er mich mit seinem Schirm ins Gesicht. Ich konnte mit meinem Handy in der Tasche heimlich meine Freundinnen anrufen. Schliesslich konnte ich mich losreissen und wegrennen.
D. G. (23), St. Gallen 

Ich wurde im ÖV unzählige Male begrapscht. Das Schlimmste war jeweils die Reaktion der Mitreisenden: diese Mischung aus Verachtung und Ekel, die das Opfer miteinschliesst. Das sind die alltäglichen Übergriffe. Dazu kommen die aggressiven Übergriffe. Männer, meist zu zweit, sprechen dich im Vorbeigehen an, schon in Erwartung, dass du ablehnen wirst, um dann eine Hasstirade gegen dich loszulassen. Das geht von «verdammte Rassistin» bis «frigide Emanze».
C. C. (39), Zürich 

Es passierte vor vier Jahren. Ich war im Tram von der Schaufelbergerstrasse zum Goldbrunnenplatz unterwegs und stieg ganz hinten ein. Alle anderen waren im vorderen Teil. Bis auf einen Mann um die 50. Da merkte ich, warum alle vorne sassen. Ich hörte ein seltsames Geräusch. Als ich hinüberschaute, sah ich, dass er sich selber befriedigte. Ich war total erstaunt und sagte ihm, er solle seinen Penis wieder einpacken. Er sagte, er sei gleich fertig. Total irre.
R. B. (23), Zürich

Im letzten Dezember stieg ich um sieben Uhr morgens in den Zug und war allein im Wagen. Ein Mann stieg zu, sah mich, setzte sich dann ins Abteil schräg gegenüber. Danach schlief ich ein. Als ich das nächste Mal aufwachte, sah ich, dass er sich entblösst hatte. Ich war schockiert und fragte mich zuerst, ob ich das bloss geträumt hatte. Heute bereue ich, dass ich nicht gehandelt und das Zugpersonal informiert habe.
L. B. (24), Muri AG

Ich war 20 und besuchte ein Open Air. Mitten in der Nacht spürte ich eine Hand an meinem Hals. Ich schreckte auf und sah, dass ein Mann neben mir kniete. Er griff nach meinen Handgelenken und hielt mich fest. Ich schrie. Ich höre es noch heute. Es hörte sich fremd an. Irgendwann liess er mich los und flüchtete. Kein Mensch reagierte. Und als ich meine Freundin im Zelt nebenan weckte, meinte sie bloss, er käme bestimmt nicht zurück.
N. M. (27), Bern

(Erschienen im Migros-Magazin und auf watson.ch, März 2016, Bilder: Sophie Stieger)

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Get zen or die trying: Eine Woche im Yoga-Retreat

Für Reisende, die Fernweh mit Sinnsuche unter einen Hut bringen möchten, ist ein Yoga-Retreat perfekt. Das Gäste- und Seminarhaus Lykia in Adrasan in der Südtürkei bietet alles für eine Auszeit vom hektischen Alltag.

Dorett, Ingrid, Lisa und Steffi beim Yoga im Lykia (v.r.n.l.)

Nach drei Flugstunden geht das Abenteuer los: In einem Kleinbus rumpeln wir vom Flughafen Antalya direkt Richtung Paradies. Es ist 35 Grad, mit glühenden Gesichtern schauen wir aus dem Fenster. Der Motor surrt; ab und zu knistert ein PET-Wasserfläschchen. Sobald sich das grossstädtische Chaos Antalyas lichtet, erblicken wir das Meer; am Ufer reihen sich Campingplätze an Strandrestaurants. Wir passieren den Touristenort Kemer und fahren weiter dorthin, wo der Massentourismus noch nicht hingefunden hat: nach Adrasan.

Wir, das ist eine Ladung gestresster Grossstädter, die unter der türkischen Sonne Entspannung suchen. Die meisten Gäste kommen aus Deutschland, manche aus Österreich und in dieser Woche nur zwei aus der Schweiz: Michel Keller und ich, mit dem ich zwar den Nachnamen, aber nicht die Familie teile. Zwei Stunden später nimmt der vollbepackte Kleinbus das schmale Natursträsschen hoch zum Gäste- und Seminarhaus Lykia. Zwischen den Granatapfelbäumen, die hier so zahlreich wie Apfelbäume in der Ostschweiz wachsen und auch etwa so aussehen, sind 33 Bungalows versteckt. Mittendrin stehen das Haupthaus, ein grosser Pool mit glasklarem Wasser und eine Terrasse mit Meersicht. Hier kann das ja nicht so schwer sein, «zen» zu werden.

Am Strand von Adrasan

Aller Anfang ist schwer

Und dennoch bin ich skeptisch. Vor einigen Jahren habe ich regelmässig Power Yoga gemacht. Seither ist die Bezeichnung «bewegungsresistent» wohl passender für mich. Ganz allein bin ich damit nicht. Michel Keller (42) ist mit seiner Freundin Csilla (42) aus Zürich angereist. Der selbständig erwerbende LKW-Fahrer hat letzten Herbst nach einem Rückenvorfall zum Yoga gefunden. «Das hat mir enorm geholfen. Csilla zeigte mir dann einen Prospekt des ‹Lykia›, und ich war sofort begeistert. Die Ferien mal anders verbringen, ein neues Land entdecken und Ausflüge machen schien mir interessant.» Mir scheint vor allem die Vorstellung von zwei Stunden Yoga pro Tag «interessant». Denn die finden noch vor dem Frühstück statt. Inwiefern mich das frühe Aufstehen entspannen soll, ist mir schleierhaft.

Glücklicherweise sind die Yogastunden diese Woche in zwei Klassen unterteilt. Anfänger und solche, die es etwas gemächlicher mögen, besuchen das Yoga Soft von Nina. Wer es etwas dynamischer mag, ist bei Jana gut aufgehoben. In ihrem Kurs wechseln sich Entspannungs- mit Dehnungssequenzen ab. Bei keinem der Kurse muss man besonders flexibel oder gelenkig sein. «Es geht um Achtsamkeit. Jeder kann Yoga praktizieren», sagt Nina. Positive Auswirkungen gibt es viele: Yoga hilft bei Rückenbeschwerden, stärkt die Muskeln, sorgt für einen ruhigen Schlaf, kurbelt die Verdauung an und verbessert die Konzentration.

So esoterisch, wie ich mir das vorgestellt habe, ist das also gar nicht. Auf die abendlichen Meditationsstunden bin ich gespannt. Bei der Tanzmeditation stehe ich zuerst etwas ratlos im Raum, während meine Co-Yogis mit geschlossenen Augen trance-artig ihren Bewegungen nachgehen. Nach einer halben Stunde steige auch ich ein.

Wasser und Feuer

Die Woche im «Lykia» heisst nicht umsonst «aktive Auszeit». Während der sieben Tage können zahlreiche Ausflüge separat gebucht werden. Besonders beliebt ist der in die antike Stadt Olympos. Ein Besuch in Adrasan empfiehlt sich ebenso: Die Bevölkerung ist aufgeschlossen, gastfreundlich und unabhängig vom ausländischen Tourismus – am Strand trifft man hauptsächlich einheimische Touristen. Die Region hat sich seit Langem dem Naturschutz verschrieben. Lilien, Oleander, Orangen, Maulbeeren, Granatäpfel und Feigen verströmen ihren lieblichen Duft, je nach Saison.

Während der zwei Bootstouren, die wöchentlich stattfinden, geht es die Küste entlang hinaus ins Blaue. Beim ersten Zwischenstopp schwimmt man mit Führer Ilhan in eine Höhle hinein, die am hinteren Ende stockdunkel ist. An einem anderen Stopp können sich die Besucher mit einem mineralhaltigen Schlamm einreiben und danach mit seidiger Haut wieder ins Boot klettern. Zwischendurch serviert der Kapitän Fisch, direkt aus dem Meer.

Mitte der Woche melde ich mich für die Stillewanderung an, bei der es im Dunkeln losgeht. Auf einem schmalen Ziegenpfad marschiert unsere Gruppe an würzig duftenden Sträuchern und steilen Klippen vorbei dem Gipfel entgegen – ich tschumple gähnend hinterher. Der Sonnenaufgang macht jedoch alles wett. So langsam freunde ich mich mit dem Konzept der Aktivferien an.

Am nächsten Tag fahre ich mit einer Gruppe nach Çıralı. Am Rand des Dorfs führt ein steiler Weg hoch zu den ewigen Feuern der Chimära. Seit Jahrtausenden brennen dort auf den Hügeln Gase, die aus Felsrissen austreten. Überlieferungen zufolge sollen die Flammen in der Antike Seefahrern bei der Orientierung geholfen haben. In Zweierreihen und mit je einer Taschenlampe ausgestattet, stolpern wir in der Dunkelheit hinunter zum Meer. Schweissgebadet springen wir im Sternenlicht in die schwarzen Fluten, bevor wir den Tag im Restaurant Ikiz bei gutem Essen und einer Runde Raki beenden.

Die Menschen im «Lykia»

Verantwortlich für die gelungene Kombination aus türkischer Gastfreundschaft und deutscher Organisation ist das Betreiberpaar Nina Meissner (40) und Ismail Güngör (34). Güngör, dessen Mutter aus Adrasan stammt, hat einige Jahre in München gelebt und spricht Deutsch. 2007 eröffnete er das «Lykia» – damals noch als einziger Anbieter von Yogaferien in der Umgebung. «Die Lage hier bietet so viel mehr als Badeurlaub. Ich habe schon einige Jahre Yoga gemacht. Schliesslich wurde das auch der Schwerpunkt des Gäste- und Seminarhauses», sagt er. Heute bieten in der Gegend auch andere Betreiber Yogaferien an. Nina Meissner reiste 2010 als Gast nach Adrasan und verliebte sich nicht nur in den Ort, sondern auch in Ismail. Im Februar 2011 kündigte sie ihren Job und zog aus dem Ruhrgebiet unter die Sonne von Adrasan. Seither leitet das Paar das «Lykia».

Im Haus kümmern sich 15 türkische und zwei deutsche Mitarbeiter elf Monate im Jahr um die Gäste. Das Essen ist reichhaltig, auf Wunsch glutenfrei und vegetarisch. Erst am letzten Abend kommt ein Stück Fleisch auf den Grill. Morgens gibt es vegane Pancakes, würzige Gemüse-Omelettes oder süssen Milchreis aus Ziegenmilch.

Das Fazit nach einer Woche

In Erinnerung bleiben die Yogastunden, in denen man enorm mit sich selber konfrontiert wird. Beim einen oder anderen Gast kommen noch während der Stunden Emotionen hoch – auch bei mir. Natürlich liegt das an der schönen Umgebung. Natürlich liegt das auch an den Gesprächen mit anderen Reisenden. Natürlich liegt das auch an der Pause von der Aussenwelt – Wi-Fi sucht man in den Bungalows vergeblich. Doch ich glaube mittlerweile an die Wirkung von Yoga. Meinem Landsmann Michel gehts ähnlich: «Nach einer Woche sehe ich vieles gelassener und mit anderen Augen. Und ich bin offener geworden. Yoga ist keineswegs bloss ein Frauending. Mann muss das einfach ausprobieren.»

Der Philosoph Ralph Waldo Emerson sagte einst: «Nicht in die Ferne, sondern in die Tiefe sollst du reisen.» Sie wollen beides? Dann ab in die Yogaferien.

(Erschienen im Migros-Magazin, Januar 2016. Bilder: Lea Meienberg)

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Wahlhelfer: Frondienst aus Überzeugung

Kein Wahlkampf geht ohne sie über die Bühne: Tausende Helfer und Helferinnen stehen seit Wochen unermüdlich für ihre Parteien im Einsatz. Wer sind sie? Was treibt sie an?

Sie sprechen stundenlang fremde Menschen auf der Strasse an, telefonieren in ihrer Freizeit Wählerlisten ab oder unterstützen die Kandidierenden moralisch. Die Helferinnen und Helfer sind ein entscheidender Faktor des Wahlkampfs. Bis zum 18. Oktober wird noch viel ­ehrenamtliche Arbeit geleistet – aus politischer Überzeugung oder als Freundschaftsdienst.

Der persönliche Kontakt ist dabei entscheidend: «In der Romandie sind wir nahe an den Leuten und gehen beispiels­weise in Genf von Tür zu Tür», sagt CVP-Generalsekretärin Béatrice Wertli. Die SVP zählt auf alle 90 000 Mitglieder als Wahlkampfhelfer; sie sollen Verwandte und Bekannte im persönlichen Umfeld bearbeiten. Bei der FDP machen viele der Kandidierenden zu Fuss oder mit dem Fahrrad eine Tour durch ihren Kanton und kommen so ins Gespräch mit der Bevölkerung. Die Sozialdemokraten haben über den Sommer landesweit rund 400 sogenannte Küchentischgespräche organisiert und setzen erstmals im grossen Stil auf Telefonate.

Tiere und Kugelschreiber

Bereits im Sommer versperrten Wahlhelfer die Trottoirs und drückten Passanten Give-aways in die Hand. Tiere bleiben bei den 50. eidgenössischen Wahlen seit 1848 verschont: Die SVP hat Geissbock Zottel nach dessen spektakulärer Entführung vor vier Jahren durch Plüsch-Sennenhund Willy ersetzt. Und die SP hat ihre Klamaukvideos «Mach das Zebra nicht hässig» von 2011 nicht neu lanciert.

Laut Bundesamt für Statistik hoffen derzeit 3802 Personen auf einen Platz im Parlament – ein Rekord. Die Kan­didierenden akquirieren ihre Helferteams meist selber. «In der Regel können die Parteien die Kandidaten nicht genug unterstützen», sagt der Schweizer Politologe Andreas Ladner (57). «Im Idealfall hat man eine Lokalsektion hinter sich. Ansonsten ist es der Bekannten- oder Familienkreis, der mitmacht. Oder man schafft es, ein Komitee zu gründen.» Eine Herausforderung sind dabei die sinkenden Mitgliederzahlen der Parteien. «Früher hatte man durch die Parteizugehörigkeit noch einen gewissen Informationsvorsprung», sagt Ladner. «Heute erfährt man das meiste aus der Presse. Ausserdem haben die Leute noch viele andere Verpflichtungen.»

Hier rollt der Rubel

Trotz aller ehrenamtlichen Arbeit wird 2015 wohl der teuerste Wahlkampf aller Zeiten. Eine Studie der Forschungsstelle Sotomo besagt, dass allein für Inserate, Plakate und Kinospots 2011 bereits 42 Millionen Franken flossen. Heuer werden die Zahlen noch höher sein.

Die nationalen Budgets der Parteien belaufen sich nach ­eigenen Angaben auf zwischen 200 000 (Grüne) und 3,5 Millionen Franken (FDP). Die Unternehmen spielen bei der Finanzierung zunehmend eine wichtige Rolle – oft nicht nur aus Goodwill, sondern in der Hoffnung auf eine Gegenleistung. In vier Wochen wird sich zeigen, welche Investitionen sich auszahlen.

Reto Weibel (33, SP/ BS): Unter Freunden

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Dienstagabend am Claraplatz Basel. Herbstanfang, es regnet, vom Feierabendlärm ist wenig zu spüren. Beim Gebäude, in dem sich die SP Basel-Stadt befindet, merkt man schnell, welche Partei hier zu Hause ist: Ein Velo mit knallrotem SP-Anhänger steht neben dem Lift. Oben haben sich zwischen Kisten, gefüllt mit Flyern und Plakaten, drei Wahlhelfer um Beda Baumgartner (23) versammelt, den Präsidenten der Juso Basel-Stadt. Einer von ihnen ist Reto Weibel.

Er ist seit zwölf Jahren SP-Mitglied und hat sich heute für einen Telefonanlass angemeldet. «Wir rufen andere Mitglieder an und versuchen, sie für Parteianlässe zu mobilisieren oder von einer Spende zu überzeugen», sagt der Finanzfachmann. Er hat an diesem Tag zwei Stunden telefoniert, das Tagesfazit ist mit 21 abgeschlossenen Gesprächen und 7 Zusagen positiv. Das ist quasi sein Lohn. Die Stimmung ist kollegial und gemütlich. «Aktionen wie heute machen Spass, auch, weil man alte Freunde mal wiedersieht», sagt Weibel. Den Wahlen sieht er gelassen entgegen: «Wenn wir es schaffen, genügend Leute zu erreichen, bin ich zuversichtlich, dass wir ein paar Prozente zulegen und in Basel einen dritten Sitz holen können. Ich werde immer optimistischer.»

Fränzi Schmid (66, SVP/ZH): Wahlkampf bei Züpfe und Ländler

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Bisikon ist ein beschaulicher Flecken im Zürcher Oberland. Am 30. August jedoch fahren statt Trak­toren Minivans durch die 400-Seelen-Idylle. Eifrig schleppen Helfer Kisten mit SVP-Tischtüchern, SVP-Servietten und SVP-Visitenkarten in die ehemalige Tabakscheune. Die Volkspartei lädt zum Buurezmorge.

Fränzi Schmid hat – unterstützt von ihrem Team – die Zügel fest in der Hand. «Ich war 45 Jahre lang Reisefachfrau, das Organisieren liegt mir», sagt sie. 150 Leute werden erwartet; bereit stehen zwölf Kilo hausgemachte Züpfe. Das Budget ist geheim. Zur SVP kam Fränzi Schmid vor 20 Jahren. Ihr Mann sei damals schon in der Partei gewesen. Während sie am Buurezmorge herumwirbelt, sagt Nationalratskandidat Stefan Krebs auf dem Podium, er vermisse die Bodenhaftung der Politiker. Durch die Menge geht ein zustimmendes Raunen. Dazwischen spielt das Ländlertrio Alpenblick Wallisellen. An der SVP schätzt Schmid, dass sich die Partei für die Bauern einsetzt. Ihr Umfeld sei politisch durchmischt, doch in Asylfragen sei man sich einig: «Das Elend macht betroffen. Aber man muss die Probleme dort unten lösen.» Dann muss sie weiter: An der Kasse fehlt Münz, eine Besucherin sucht die Toilette, und Tochter Rita sagt, es brauche mehr Konfi.

Thierry Li-Marchetti (30, GLP/LU): Debattieren statt feiern

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Statt Ausgang war bei den zehn Nationalratskandidatinnen und -kandidaten der Jungen Grünliberalen (GLP) Luzern am Abend des 3. September Politik angesagt: In einer WG in der Nähe des Bahnhofs traf man sich zu Bier und Debatte. Mittendrin: Thierry Li-Marchetti. Bei der GLP ist er für die Kommunikationskanäle verantwortlich. Konkret heisst das: Social Media, Blogs, Website. Zudem kümmert er sich um die Marketingarbeit – nicht für Lohn, sondern aus politischer Überzeugung. «Wir betreiben Sachpolitik und beschäftigen uns nicht mit irgendwelchen Grabenkämpfen», sagt er über seine Partei.

«Viele junge Leute haben in der Schweiz eigentlich keine grossen Probleme. Dass wir Politik machen, ist eher Luxus als Notwendigkeit», sagt der Kommunikationsspezialist. Das Durchschnittsalter an diesem Abend liegt bei 24 Jahren. Alle studieren oder haben das Studium bereits abgeschlossen. «Das wird uns ja oft auch vorgeworfen», sagt Li-Marchetti, «dass wir zu akademisch sind.» Schlecht sei das aber nicht: «Innerhalb der Partei gibt es zum Teil recht unterschiedliche Meinungen. Am Ende findet man aber immer einen sinnvollen Konsens.»

(Erschienen im Migros-Magazin, September 2015. Bilder: Gabi Vogt)

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Der Kleine Unterschied: 40 Jahre später

Vor 40 Jahren veröffentlichte Alice Schwarzer ihr Buch «Der kleine Unterschied und seine grossen Folgen». Es war der Beginn einer Befreiung. Doch wo steht der Feminismus heute? Eine Bestandesaufnahme mit zehn Schweizer Wegbereiterinnen. 

41MDMFE915L._SX274_BO1,204,203,200_1975 war ein entscheidendes Jahr der Schweizerischen Frauenbewegung. Im Januar wurde am Nationalen Frauenkongress in Bern beschlossen, die Initiative für die Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch zu unterstützen und die Gleichberechtigungsinitiative zu lancieren. Im März und Oktober protestierten tausende Frauen in Bern und Zürich gegen die Untätigkeit des Nationalrates in Sachen Schwangerschaftsabbruch. Im August veröffentlichte die deutsche Autorin Alice Schwarzer ihr Buch «Der kleine Unterschied und seine grossen Folgen» und löste eine landesweite Grundsatzdiskussion über die Unterdrückung der Frau aus. Seither ist einiges passiert: Elisabeth Kopp schaffte es 1984 als erste Schweizer Frau in den Bundesrat und im Juni 1991 streikte eine halbe Million Schweizerinnen für gleiche Rechte von Mann und Frau. Das Gleichstellungsgesetz trat 1996 trat in Kraft und 2002 nahm das Stimmvolk auch die Fristenregelung an. Zum 40-jährigen Jubiläum des «Kleinen Unterschieds» schauen zehn prominente Schweizer Frauen zurück – und nach vorne.

Elisabeth Kopp (78) wurde 1984 zur ersten Schweizer Bundesrätin gewählt

Elisabeth Kopp (78) Ich habe den «Kleinen Unterschied» vor vielen Jahren gelesen. Es hat mir einen sehr kämpferischen Eindruck hinterlassen. Das war zu dieser Zeit nötig. Es hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr viel zum positiven Verändert in Bezug auf Gleichberechtigung. Das neue Eherecht ist ein wichtiger Punkt. Früher war der Mann das Oberhaupt der Familie und die Frau brauchte sein Einverständnis, wenn sie berufstätig werden wollte. Ich habe diese Vorlage zu dieser Zeit vertreten. Mein Mann hätte mir damals sagen können, er sei nicht einverstanden, dass ich meinen Beruf ausübe. Diese Ungeheuerlichkeit wurde zum Glück beseitigt. Ich werde im Herbst nach Qualifikationen wählen. Wenn ein Mann und eine Frau aber dieselben Qualifikationen haben, gebe ich ihr den Vorzug. Ob ich mich als Zugpferd der Frauenbewegung sehe? Das kann ich so nicht sagen. Aber ich wollte in meinem Amt ganz bestimmt auch zeigen, dass Frauen das Amt in der Landesregierung psychisch und physisch aushalten.

Larissa Bieler (38) ist Chefredaktorin des «Bündner Tagblatts» und ab 2016 Chefredaktorin der Newsplattform swissinfo.ch

Larissa Bieler (38) Als ich 14 Jahre alt war, habe ich die ‹Emma› abonniert. Ich ging damals an die Klosterschule in Disentis GR, und dies war meine erste Auseinandersetzung mit der Feminismusdebatte. Die ‹Emma› war eine Provokation, aber es herrschte ein anderer Diskurs im Vergleich zu heute. Über Alice Schwarzer und Co. wurde damals weniger verachtend, weniger zynisch debattiert. Auch wurden nicht gleich alle als Männerhasserinnen abgestempelt. Heute sagt man, Feminismus sei langweilig, er schaffe sich selber ab und wolle Frauen bevorteilen. Es geht jedoch um Gleichberechtigung. Männer, die sich dort angeschossen fühlen, nehmen sich zu wichtig. Ich bin eine klare Befürworterin der Quote. Ich habe auch in meiner Arbeit viele unqualifizierte Männer kennengelernt und bin überzeugt: Es gibt viele Frauen, die das besser gekonnt hätten. Es ist zudem enttäuschend, wie viele Medien sexistische Rollenbilder derart verantwortungslos zementieren. Es gibt immer noch Journalistinnen und Journalisten, die nicht verstehen, warum es wichtig ist, auch die weibliche Form zu benutzen. Bei Swissinfo.ch werde ich mit vielen Kulturen konfrontiert sein, wo Frauenbilder anders sind. Das wird eine Herausforderung. Auch in der Schweiz ist man immer wieder mit unterschwelliger, subtiler Diskriminierung konfrontiert. Aber: Veränderung braucht Zeit.

Vania Alleva (45) ist seit dem 20. Juni 2015 die alleinige Präsidentin der Unia

Vania Alleva (45) Obwohl sich in den letzten Jahrzehnten viel verändert hat, sind auch die Schweizer Gesellschaftsstrukturen noch sehr patriarchalisch geprägt. Ich verstehe meine Arbeit in der Unia als Beitrag zu einem Wandel Richtung Gleichberechtigung. Dass ich als Frau zur Präsidentin einer ehemals männerdominierten Organisation gewählt worden bin, ist schon Ausdruck dieses Wandels.
Themen wie Lohngleichheit sind extrem wichtig. Es gibt immer noch eine Differenz von rund 20 Prozent – obschon die Lohngleichheit in der Verfassung verankert ist. Freiwilligkeit allein reicht hier nicht. Zudem braucht es auch Quoten. Leider reichen bei Frauen ausgezeichnete Qualitäten oft nicht aus, um weiterzukommen. Doch gemischte Teams sind erfolgreichere Teams.

Michèle Binswanger (43) ist Mitgründerin des Mamablogs und Co-Autorin des Buches «Machomamas»

Michèle Binswanger (43) In den letzten 40 Jahren ist punkto Gleichstellung viel passiert. Viele Frauen machen gute Ausbildungen, wollen finanzielle Unabhängigkeit und tolle Jobs. Nur was die Familie und die Mutterrolle anbelangt, da bewegen sich die Dinge etwas langsamer. Als Nicole Althaus und ich mit dem Mamablog anfingen, haben sich unzählige Frauen jeden Alters mit ihren Geschichten gemeldet. Es gibt immer noch viel Unsicherheit, ob es wirklich okay ist, nicht alles für die Kinder zu geben und auch etwas in den Beruf zu investieren. Das Resultat sehe ich bei der Frauengruppe des «Tages-Anzeigers», die den Anteil der Frauen in Führungspositionen erhöhen möchte. Es ist gar nicht einfach, diese Frauen zu finden, weil viele für die Mutterschaft alles aufgeben und die Finanzen dem Partner überlassen. Hier ist noch viel Aufbauarbeit nötig.

Anita Fetz (58) ist SP-Ständerätin des Kantons Basel-Stadt und frühere Aktivistin

Anita Fetz (58) Ich war 14 Jahre alt, als in der Schweiz das Frauenstimmrecht eingeführt wurde. Ab da habe ich erst begriffen, was Frauen alles nicht dürfen, und mich der Frauenbewegung angeschlossen. Abtreibung war verboten, also haben wir eine Beratungsstelle organisiert. Häusliche Gewalt war verbreitet, also haben wir ein Nottelefon gegründet. Und ein Haus für geschlagene Frauen. Wenn ich heute auf all das zurück schaue, bin ich stolz. Ich war Teil der ersten Generation, die von der Gleichberechtigung profitiert hat. Ich konnte studieren, mein Leben selber bestimmen, eine Firma gründen, Politik machen, Gesetze verbessern und vieles mehr. Wenn früher jemand in Basel sexistische Werbung raushing, haben wir nicht gejammert, sondern etwas unternommen. Da machten ein paar Frauen ein paar Telefone, und in der nächsten Nacht war dieses Plakat irgendwie bearbeitet. Wir waren Tausende, wenn es drauf ankam. Das machte Spass, und hat uns gestärkt. Wir haben uns auch nicht gross darum gekümmert, was die Medien schreiben. Die jüngere Generation macht vieles mit – zum Beispiel all diese Schönheitsideale. Wo bleibt der Ärger der jungen Frauen? Meine Generation hat eine gute Basis für die Gleichstellung gelegt. Den Rest muss die neue Generation schon selber machen. Meine Unterstützung hat sie.

Margrit Sprecher hat 1983 bei der Weltwoche ein Frauen-Ressort, das heutige Gesellschaftsressort, aufgebaut

Margrit Sprecher Ich habe längst die Übersicht über die vielen Feminismus-Varianten verloren. Die eine kämpft gegen Kleidervorschriften, die andere für Kitas, die dritte für die Karriere. Wichtig ist die längst fällige Durchsetzung der Lohngleichheit. Den Rest muss sich, so hat sich leider gezeigt, jede Frau selbst erkämpfen. Alice Schwarzer bewundere ich als brillante Kollegin. Ihr Charme und ihre Verletzlichkeit überraschen mich immer wieder.

Pia Horlacher (65) war SRF- und NZZ-Redaktorin und ist Mitglied des Presserats

Pia Horlacher (65) Ich wurde in der Frauenbewegung der 1970er politisiert und habe in der Beratungsstelle Infra mitgearbeitet. Wir haben damals Alice Schwarzer zu uns eingeladen – eine eindrückliche Begegnung. Mittlerweile haben Frauen in der westlichen Gesellschaft viel erreicht. Allerdings stelle ich einen gewissen Rückschritt fest, was die sexualisierten Frauenbilder in der Jugendkultur und den Boulevardmedien anbelangt. Solch reaktionäre Rollenbilder von Topmodel, Schlampe, Boxenluder etc. scheinen Mädchen und junge Frauen erstaunlich widerspruchslos hinzunehmen. Ohnehin lassen wir in den Medien noch viel Sexismus zu, während man in andern Bereichen wie Rassismus, Homophobie oder Religionsfreiheit weit vorsichtiger ist.
Alice Schwarzer ist ein journalistischer Glücksfall. Sie bringt sich unermüdlich in den öffentlichen Diskurs ein. So hat sie zum Beispiel schon vor Jahrzehnten vor einem Kulturrelativismus gewarnt, der blind ist für die Frauenunterdrückung gleich neben uns, in den tief patriarchalischen Parallelgesellschaften vieler westlicher Grossstädte. Dass wir hier und heute mit Themen wie Schleierzwang, Zwangsehen, Ehrenmorden oder Genitalverstümmelungen konfrontiert sind, hätten wir uns vor vierzig Jahren nicht vorstellen können.

Eveline Saupper (57) ist die wichtigste Schweizer Verwaltungsrätin (Georg Fischer, Syngenta, Baloise, Zürich Flughafen)

Eveline Saupper (57) Ich bin der Meinung, dass man heute in der Schweiz die gleichen Möglichkeiten erhält, solange man liefert. Ich gebe aber zu, dass das in der Vergangenheit anders war. Damals hatte man als Frau aus gesellschaftlichen Gründen oft keine Chance.
Von alleine geschieht auch heute nichts. Frauen müssen ihren Teil dazu beitragen. So ist der Aufbau eines Netzwerks enorm wichtig. Das haben viele Frauen noch nicht begriffen. Genialität reicht nicht. Die Leute müssen erfahren, dass man etwas kann

Esther Girsberger (54) ist Zentralpräsidentin vom «Forum elle», der Frauenorganisation der Migros

Esther Girsberger (54) Wäre die soziale, ökonomische und rechtliche Diskriminierung immer noch so gross wie Ende des 19. Jahrhunderts, wäre es um die Gleichstellung schlecht bestellt. Ich bin dankbar, dass sich heute Schweizer Frauen aller Couleurs und (fast) aller politischen Parteien laut und deutlich für die Sache der Frau stark machen. Am dankbarsten bin ich den Frauen, denen man es wegen ihrer Zugehörigkeit zum bürgerlichen Lager nicht zutraut. Sie werden nämlich am ehesten von denen gehört, die es auch hören müssen. Allen voran von bürgerlichen Männern, die zum Beispiel noch skeptisch sind gegenüber familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen. Im Unterschied zu früher ist die Genderfrage heute kein reines Kampffeld mehr.

Sylvie Durrer (55) ist die Vorsteherin des Eidgenössischen Gleichstellungsbüros

Sylvie Durrer (55) Frauen wie Alice Schwarzer und Simone de Beauvoir sind wichtige Personen, die eine wichtige Diskussion ausgelöst haben. In den letzten Dekaden hat sich in der Schweiz vieles zum Positiven verändert. Das Gleichstellungsgesetz von 1996 war ein Meilenstein für die Schweiz. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Mentalitäten geändert hätten. Da gibt es noch viel Arbeit zu tun. Frauen sind im Gesundheits- oder Bildungswesen oder auch in der Sozialarbeit übervertreten. Dagegen sieht man wenige Frauen in technischen Branchen. Und für Männer ist es schwierig, in Pflegeberufe reinzukommen. Es ist wichtig, dass Frauen und Männer einen Beruf ausüben, der ihren Interessen und ihren Fähigkeiten entspricht – und nicht weil es für ihr Geschlecht normal ist. Ich habe grosses Vertrauen in die Zukunft. Und ich denke, dass eine gleichberechtige Gesellschaft eine bessere Gesellschaft ist.

Der kleine Unterschied und seine grossen Folgen

Das Buch: «Der kleine Unterschied und seine grossen Folgen» enthält 15 Protokolle mit sehr unterschiedlichen Frauen und einem Essay der Autorin über «Sex und Gender». Im Buch analysierte Alice Schwarzer die Sexualität als «Angelpunkt der Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern und der Unterdrückung der Frauen». Sie plädiert für eine freie Sexualität und die ökonomische Unabhängigkeit für Frauen. Das Buch erschien 1975 und machte Schwarzer über Westdeutschland hinaus bekannt. Der Spiegel nannte im Juni 1976 in einem Artikel über Schwarzer eine Auflage von bis dahin 138’000 Exemplaren. Es wurde in zwölf Sprachen übersetzt.

Zur Person: Alice Sophie Schwarzer wurde am 3. Dezember 1942 in Wuppertal geboren. Die Gründerin und Herausgeberin der Frauenzeitschrift Emma ist die bekannteste Vertreterin der deutschen Frauenbewegung.

(Erschienen im Migros-Magazin, August 2015)

Der Beitrag wurde von Alice Schwarzer zitiert.

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Oh les beaux jours

In Frühling 2013 bereiste ich den wunderschönen Küstenort Deauville. Erschaffen wurde das «Königreich der Eleganz» im Sommer 1858 von Charles de Morny, einem Halbbruder von Napoléon III. Auf einer Sand- und Sumpfebene an der Atlantikküste entstand ein Juwel, das alsbald aristokratische Gäste aus der ganzen Welt anzog.

Noch heute gilt der Badeort als Refugium für gutbetuchte Pariser Familien: Neonormannische Villen reihen sich zwischen prunkvollen Mini-Palästen ein; das Casino sowie das jährlich stattfindende Filmfestival sorgen für Unterhaltung.

Schon die rund zweistündige Zugfahrt von Paris aus ist bezaubernd: die Normandie ist ein kleines Auenland aus dichtbewachsenen Feldern, kleinen Häusern, verwunschenen Flüssen, Schafsherden sowie Pferdehöfen.

Die grünen Felder der Normandie

In Deauville selber findet man alles, was man braucht. Gleich hinter dem Casino, im Dorfkern, haben sämtliche Luxusketten ihre Filialen, damit sich die Pariser Kundschaft auch im Norden mit teurem Leder und delikaten Foulards eindecken kann. Nebst den Luxusgeschäften findet man zahlreiche Läden, die den typischen Marine-Look anbieten. Vorhersehbar ist denn auch die Deauville-Uniform: die meist älteren Besucher des Küstenortes tragen fast ausschliesslich gestreifte Shirts, snobige Windjacken und dicke Leinenkleider.

Wer dem Wind trotzt und sich in die Fluten stürzt, wird belohnt. Fernab von Cannes-Glamour und Saint-Tropez-Buzz hat das Meer eine fast therapeutische Wirkung: Der Atlantik ist rauer, ehrlicher, faszinierender. Er lockt die Haare, bringt einen zum träumen und klebt den Sand so schön auf die Haut.

Am Abend gehts barfuss ins Restaurant La Galatée, welches direkt auf dem Strand ist. Das Menu: Lokaler Fisch und Wein. Nach einem wunderschönen Sonnenuntergang sieht man vom Hotelzimmer aus, wie die Fischerboote bei Einbruch der Dunkelheit gen Horizont steuern.

(Bilder: Anne-Sophie Keller)

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Was wurde aus dem Zaffaraya?

Überlebenskünstler, Althippies, Revoluzzer und Träumer: Noch heute ist das Zaffaraya ein Schmelzpunkt der alternativen Szene und ein Wohn-Mikrokosmos jenseits der Norm. Ein Augenschein vor Ort.

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Am 31. Juli 1985 entstand im Berner Marzili das «Freie Land Zaffaraya». Zusammen mit der Reithalle wurde es zum Symbol für die Berner Jugendunruhen und zu einem schweizweit diskutierten Politikum. Am 17. November 1987 wurde die Siedlung trotz mehreren Protestdemonstrationen von bis zu 10 000 Teilnehmern gewaltsam durch die Polizei geräumt. Nach drei provisorischen Orten fand das Zelt- und Wagendorf 1989 im Neufeld ein neues Zuhause. 2006 musste die Siedlung dem Neufeld-Tunnel weichen.

Ein Besuch vor Ort

Zaffaraya-Bewohnerin Regä wohnt seit zehn Jahren in der neuen Siedlung. Für sie bedeute das «Zaff» vor allem viel Freiraum und ein gutes Kollektiv: «Wir können das Gelände frei gestalten. An anderen Orten fühle ich mich mit meiner gesellschaftskritischen Einstellung manchmal wie ein Exot. Hier falle ich nicht aus dem Rahmen», erzählt sie.

Momentan leben rund 26 Personen im Neufeld, darunter sieben Kinder. In einem Sanitärcontainer befinden sich Waschmaschinen und WCs. «Im Sommer ist es eigentlich noch schön, im Pyjama nachts rauszugehen. Man lebt allgemein naturverbundener», so die Mutter zweier Kinder.

Bewohnerin Regä

«Wir profitieren ja auch vom System»

«Viele denken, wir leben wie Zigeuner und haben nicht einmal Strom. Andere haben sogar Angst vor uns und halten uns für irgendwelche Wilde. Aber wir sind so normal wie nötig; bezahlen Steuern und schicken die Kinder in die Schule», erzählt sie weiter. «Würden wir uns dem System nicht punktuell anpassen, gäbe es das Zaffaraya gar nicht. Wir profitieren ja auch vom System.»

So hat die Stadt Bern 2006 das Geld für die Strom- und Wasserleitungen vorgeschossen – die Abzahlung ist im Gange. «Das kommt halt davon, wenn man alles legal erwirbt. Früher wurden die Rohre noch geklaut», sagt Regä und lacht.

Von Tänzern und Politikern

25 Jahre nach der Räumung wurde das Zaffaraya diesen Juni im Zuge des «Tanz dich frei 2.0» wieder präsent. Über die Zeit früher hat die ehemalige Hausbesetzerin eine geteilte Meinung: «Es gab damals viel unnötige Gewalt, aber es wurde auch viel erreicht. Die Jugendbewegungen hatten und haben ihre Berechtigung; auch heute noch existieren Spuren davon.»

Das Zaffaraya bleibt ein Politikum – gewollt oder nicht. So erwähnen vor allem prominente Aushängeschilder bürgerlicher Parteien die Siedlung und die damit zusammenhängende rechtliche Grauzone immer wieder. Regä nimmts gelassen: «Es ist nicht verboten, wie wir leben, aber auch nirgends legal.»

Der Dokumentarfilm «Berner Beben» über die Jungendbewegung der 80er:

(Erstmals publiziert auf 20minuten.ch und tilllate.com, Juli 2012. Bilder: Anne-Sophie Keller)

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