Was wurde aus dem Zaffaraya?

Überlebenskünstler, Althippies, Revoluzzer und Träumer: Noch heute ist das Zaffaraya ein Schmelzpunkt der alternativen Szene und ein Wohn-Mikrokosmos jenseits der Norm. Ein Augenschein vor Ort.

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Am 31. Juli 1985 entstand im Berner Marzili das «Freie Land Zaffaraya». Zusammen mit der Reithalle wurde es zum Symbol für die Berner Jugendunruhen und zu einem schweizweit diskutierten Politikum. Am 17. November 1987 wurde die Siedlung trotz mehreren Protestdemonstrationen von bis zu 10 000 Teilnehmern gewaltsam durch die Polizei geräumt. Nach drei provisorischen Orten fand das Zelt- und Wagendorf 1989 im Neufeld ein neues Zuhause. 2006 musste die Siedlung dem Neufeld-Tunnel weichen.

Ein Besuch vor Ort

Zaffaraya-Bewohnerin Regä wohnt seit zehn Jahren in der neuen Siedlung. Für sie bedeute das «Zaff» vor allem viel Freiraum und ein gutes Kollektiv: «Wir können das Gelände frei gestalten. An anderen Orten fühle ich mich mit meiner gesellschaftskritischen Einstellung manchmal wie ein Exot. Hier falle ich nicht aus dem Rahmen», erzählt sie.

Momentan leben rund 26 Personen im Neufeld, darunter sieben Kinder. In einem Sanitärcontainer befinden sich Waschmaschinen und WCs. «Im Sommer ist es eigentlich noch schön, im Pyjama nachts rauszugehen. Man lebt allgemein naturverbundener», so die Mutter zweier Kinder.

Bewohnerin Regä

«Wir profitieren ja auch vom System»

«Viele denken, wir leben wie Zigeuner und haben nicht einmal Strom. Andere haben sogar Angst vor uns und halten uns für irgendwelche Wilde. Aber wir sind so normal wie nötig; bezahlen Steuern und schicken die Kinder in die Schule», erzählt sie weiter. «Würden wir uns dem System nicht punktuell anpassen, gäbe es das Zaffaraya gar nicht. Wir profitieren ja auch vom System.»

So hat die Stadt Bern 2006 das Geld für die Strom- und Wasserleitungen vorgeschossen – die Abzahlung ist im Gange. «Das kommt halt davon, wenn man alles legal erwirbt. Früher wurden die Rohre noch geklaut», sagt Regä und lacht.

Von Tänzern und Politikern

25 Jahre nach der Räumung wurde das Zaffaraya diesen Juni im Zuge des «Tanz dich frei 2.0» wieder präsent. Über die Zeit früher hat die ehemalige Hausbesetzerin eine geteilte Meinung: «Es gab damals viel unnötige Gewalt, aber es wurde auch viel erreicht. Die Jugendbewegungen hatten und haben ihre Berechtigung; auch heute noch existieren Spuren davon.»

Das Zaffaraya bleibt ein Politikum – gewollt oder nicht. So erwähnen vor allem prominente Aushängeschilder bürgerlicher Parteien die Siedlung und die damit zusammenhängende rechtliche Grauzone immer wieder. Regä nimmts gelassen: «Es ist nicht verboten, wie wir leben, aber auch nirgends legal.»

Der Dokumentarfilm «Berner Beben» über die Jungendbewegung der 80er:

(Erstmals publiziert auf 20minuten.ch und tilllate.com, Juli 2012. Bilder: Anne-Sophie Keller)

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