Es ist Montagabend, der 11. Januar 2016. Für mich Halbzeit im Flüchtlingscamp Preševo. Da ich mittlerweile von einigen Menschen und Medien angefragt wurde, warum ich nichts darüber schreibe, hier der Versuch einer Antwort.
Es gäbe viel, worüber ich schreiben könnte. Die Würde des Menschen, deren Unantastbarkeit hier bei jeder Begegnung ersichtlich wird. Das Kind, das gestern Nacht gestorben ist. Die guten Momente mit dem Team, die zumindest für mich entscheidend sind. Die Gegend hier in Serbien, deren Rauheit mich fasziniert. Meine bis jetzt unbegründete, vielleicht gesunde, vielleicht auch egoistische Angst vor dem Verlust meiner seelischen Unversehrtheit. Die surreale Zeltlandschaft des UNHCR. Der Christbaum am Eingang.
Grundsätzlich bin ich aber nicht als Journalistin hier sondern als Mensch, der sich als Teil einer Gesellschaft und als Teil sozialer Gefüge versteht, von denen ich einerseits profitiere und denen ich andererseits etwas zurückgeben kann.
Und natürlich geht es auch um Weltschmerz und all die anderen grossen Fragen.
Ein Zwischenfazit? Wir betreiben hier Symptombekämpfung einer nicht funktionierenden internationalen Gesellschaft. Das ist ernüchternd.
Auf der anderen Seite gibt es keinen besseren Ort, um vielleicht auch sich selbst zu beweisen, dass man als einzelner Mensch unglaublich viel bewirken kann. Beispielsweise einem anderen Menschen Aufmerksamkeit schenken. Ihm eine bessere Jacke geben – in der Hoffnung, dass er diesen Winter vielleicht nicht auch noch erfriert.
Und darum bin ich hier.
(Bild Preševo im Morgennebel: Anne-Sophie Keller)
1 Kommentar
Word. Die Zerrissenheit unserer Generation am Beispiel eines Aufenthalts im Flüchtlingslager. Oder war es nicht schon immer so?