Wenn Nationalrätinnen über Vergewaltigungen lachen

Am Sonntagabend war die Grüne Nationalrätin Aline Trede zu Gast bei Viktor Giacobbo und Mike Müller. Neben den erwarteten Themen wie Wahlkampf und Atommüll liessen es sich die Gastgeber nicht nehmen, den Zuger Fall um Hürlimann/ Spiess-Hegglin anzusprechen.

AlineTrede

Ende Dezember wurde der Zuger SVP-Präsident Markus Hürlimann beschuldigt, die Grünen-Grossrätin Jolanda Spiess-Hegglin an einer Feier in Zug unter K.O.-Tropfen gesetzt und vergewaltigt zu haben. Der Fall und das laufende Verfahren hatte einen immensen Medien-Rummel ausgelöst.

Spiess-Hegglin ging nach eigenen Worten „durch die Hölle“; Hürlimann ist in Folge von seinem Amt als Präsident der SVP des Kanton Zug zurückgetreten.

Dass Giacobbo und Müller sich dem bisher ungeklärten Fall (und grandiosen Boulevard-Stoff) annehmen, wenn eine Grüne Politikerin bei ihnen zu Gast ist, war also absehbar. Die Zuschauer mussten auch nicht lange warten: Giacobbo sprach über mögliche Koalitionsbestrebungen der Grünen und gibt mit dem Satz „Ich habe gehört, (…) im Kanton Zug gäbe es gewisse Kopulations —äh—Koalitionsverhandlungen mit der SVP“ eine Steilvorlage. Trede kontert mit „Also, ich würde da nicht von Verhandlungen sprechen!“ und lenkt das Gespräch wieder aufs Politische.

Giacobbo geht in die nächste Runde: „Mit K.O-Tropfen auch nichts? Also die SVP zum Beispiel mal … Nicht einen zurückgeben? Die SVP unter K.O.-Tropfen setzen zum Beispiel?“ Hier lenkt Trede ein: „Die Diskussion ist so etwa ‚Ach, die Grünen, die sind immer so langweilig ‚, und jetzt geht mal etwas ab und es ist auch nicht gut“, so die 31-Jährige. Sie lacht und auch das Publikum lacht los. Giacobbo doppelt nach: „Also zumindest der Herr Hürlimann findet nicht mehr, dass die Grünen langweilig sind.“

Giacobbo/Müller ist eine Satiresendung. Über die Frage, was Satire darf und was nicht, wurde in letzter Zeit heftig debattiert. Dass Giacobbo den Vergewaltigungsfall thematisiert, ist zwar für einen öffentlich-rechtlichen Sender schon eine harte Nummer, aber rechtlich gesehen in Ordnung. Ob die Kommentare geschmacklos waren, ist eine andere Frage. Und ob ein mögliches Vergewaltigungsopfer eine geeignete Zielscheibe ist, lässt Raum für Grundsatzdiskussionen.

Was mich aber wirklich schockiert, ist die Art, wie Trede mit der Diskussion umgeht. Denn selbst wenn sie sich in einer Satire-Sendung befindet, ist sie in erster Linie Politikerin und Volksvertreterin. Dass Trede und Spiess-Hegglin Parteikolleginnen sind, macht das Ganze noch fragwürdiger.

Das Gespräch geht weiter zum Grüne-Politiker Jo Lang, der vor ein paar Jahren nach Bern gezogen ist. Giacobbo bleibt auf Kurs: „ Aber der Jo Lang ist extra vom Kanton Zug auf Bern gezogen. Wenn er das gehört hätte in Zug, wäre er wahrscheinlich gern geblieben.“ Die Aussage suggeriert, dass es Lang am Ort der möglichen Vergewaltigung gefallen hätte.

Statt sich in der ganzen Schlammschlacht irgendwie vernünftig zu positionieren, amüsiert sich Trede sichtlich über die Vergewaltiger-Witze.

Am Ende der Sendung thematisiert Giacobbo Tredes—übrigens löblich transparenter—Umgang mit Gratulationen und Geschenken von Firmen wie der Crédit Suisse und dem Schweizerischen Bauernverband. Schliesslich fragt Giacobbo, ob Trede denn nochmals in die Show kommen möchte; schliesslich sei er bestechlich. Die Antwort der Parlamentarierin? „Ich habe sonst meine K.O.-Tropfen dabei.“

Ich weiss nicht, ob Trede von der Situation dermassen überfordert war und deshalb so reagiert hat. Ich wünsche es mir. Denn eine mögliche Vergewaltigung ist nicht „schlüpfrig“ und bis der Fall Geklärt ist, sollte—zumindest von der Politikerin in der Runde—respektvoll damit umgegangen werden.

(Erschienen auf vice.com, Februar 2015. Bild: Screenshot SRF)

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